Die SPD in Stuttgart verliert von Wahl zu Wahl an Wählerstimmen. Bei der Aufarbeitung ihrer Wahlniederlage fällt den Genossen zuerst der Bundestrend ein. Ihr Fraktionschef sieht aber im Nachhinein auch hausgemachte Defizite.

Stuttgart - Die Stuttgarter Genossen finden keinen Weg aus dem Jammertal heraus, das sie seit Jahrzehnten durchschreiten. Die einstmals so starke und stolze Partei, die noch Mitte der 1970er Jahre knapp die Hälfte der Gemeinderatsmandate besaß, ist laut Wahlprognose mit sieben Sitzen fast zur Splitterpartei geschrumpft. Das ist bitter, insbesondere für ihren Vormann Martin Körner.

 

Der Mann, der die „neue“ Stuttgarter SPD in den Wahlkampf geführt hat und erst einmal drei Wochen lang den gar nicht zur Wahl stehenden OB attackieren ließ, bevor auf den Plakaten erstmals die inhaltlichen Botschaften der Sozialdemokraten prangten, ist angeschlagen, seine Fraktion wird im neuen Gemeinderat aller Voraussicht nach nur noch viertstärkste Kraft hinter Grünen, CDU und einer wie auch immer zusammengesetzten Fraktionsgemeinschaft aus Linken, SÖS und diversen Einzelstadträten.

Nun zeigen Wahlverlierer gern mit dem Finger auf den Bundestrend – so auch Körner und andere SPD-Stadträte am Wahlabend. Der Europa- und Bundestrend sei nicht spurlos an den Stuttgarter Genossen vorübergegangen, so gesehen sei das Wahlergebnis auch im Vergleich zu Mannheim und Karlsruhe, wo die SPD noch deutlich mehr verloren hat, nicht so schlecht. Eine erste Analyse des SWR zum Wahlverhalten spricht dagegen eine ganz andere Sprache.

Für die Mehrheit der Stuttgarter Wähler waren kommunalpolitische Themen wichtig

Demnach haben 52 Prozent der befragten Wähler angegeben, für sie seien kommunalpolitische Themen bei der Stimmabgabe wahlentscheidend gewesen. Lediglich 25 Prozent nannte bundespolitische Einflüsse als Hauptgrund für ihr Votum.

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Mit der Fehlersuche tun sich Körner und die SPD freilich schwer. „Ich halte unsere Wahlkampagne nach wie vor für richtig“, sagt Körner, auch die Partei habe diese Strategie sehr motiviert mitgetragen. Der grüne OB Kuhn sei schließlich ein Symbol für die Politik, die die Grünen in den vergangenen fünf Jahren betrieben oder eben unterlassen hätten. „Der kommunale Wohnungsbau ist eben nicht in dem Maß erfolgt wie es notwendig wäre“, nennt Körner ein Beispiel. Dass die Sozialdemokraten, so konnte man es jedenfalls lesen, auf einem Plakat dem grünen Rathauschef sogar Korruption vorwarfen, erklärt der Fraktionschef zum Missverständnis: „Wir wünschen uns von ihm mehr Aufklärungswillen in der Klinikumsaffäre.“ Für Fritz Kuhn dagegen sind genau diese persönlichen Attacken auf ihn ein Grund dafür, warum die SPD so schlecht abgeschnitten hat. „Es muss schon um die Sache gehen“, sagte er noch am Wahlabend.

Spitzenkandidat Körner: Jung- und Erstwähler nehmen SPD als „altbacken“ wahr

Selbstkritisch konstatiert Körner die mangelnde Attraktivität der Partei bei Jung- und Erstwählern: „Da werden wir offenbar als altbacken und wenig innovativ wahrgenommen.“ Defizite hat er auch beim Rückhalt aus der Kulturszene ausgemacht – obwohl sich die SPD reichlich Mühe gegeben hatte, die Vorstellungen des mit Kulturschaffenden durchsetzten Vereins Aufbruch zum Thema Oper und Stadtgestaltung in ihre kommunalpolitischen Anträge zu integrieren.

Wie geht’s nun weiter für die Genossen? Körner („Ich gratuliere den Grünen zu ihrem guten Ergebnis“) lässt schon mal anklingen, das ihm an einer guten Zusammenarbeit mit der voraussichtlich stärksten Fraktion im Rat gelegen ist: „Wir werden uns zusammenraufen müssen, um Themen wie die kommunale Energiewende, das 365-Euro-Ticket, aber auch den Wohnungsbau weiter voran zu bringen.“ Die SPD habe dazu entsprechende Vorschläge unterbreitet. Die Grünen müssten freilich auch um Mehrheiten für ihre Vorstellungen werben.