Wer beim Autofahren viele Emissionen verursacht, kann diese heute ganz einfach kompensieren. Der Ablasshandel ist heute viel einfacher als im Mittelalter, schreibt unser Kolumnist.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Gegner eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen argumentieren häufig so: Wenn bekannt würde, dass man hierzulande nur noch mit 130 Sachen durch die Gegend zuckeln darf, werde die weltweite Nachfrage nach den hochmotorisierten Premiumfahrzeugen hiesiger Hersteller massiv einbrechen. Die Glaubwürdigkeit des Qualitätssiegels „Tested on German Autobahn“ wäre dahin, und das deutsche Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner läge bestenfalls noch auf dem Niveau eines ambitionierten Schwellenlandes. Um das zu verhindern, so die Tempolimit-Gegner, brauche man auch in Zukunft Autobahnstrecken mit freier Fahrt – gewissermaßen als Teststrecken, die praktischerweise vom Steuerzahler finanziert werden.

 

Ein Tempolimit soll ja auch dem Klima nützen, wobei die CO2-Minderung Studien zufolge wohl nur im einstelligen Prozentbereich läge. Es geht also allenfalls um Peanuts. Jedenfalls im Vergleich zu den Klimaschutzbekenntnissen führender Autohersteller, die sich oft anhören, als kämen sie direkt aus der Greenpeace-Pressestelle. Wer zum Beispiel die Begriffe „Porsche“ und „Nachhaltigkeit“ googelt, stößt auf ein innovatives Angebot namens Porsche Impact. Das ist nicht etwa ein neuer SUV mit 600 plus x PS, sondern ein Programm, mit dem Porsche-Fahrer unter Mithilfe der Nachhaltigkeitsorganisation South Pole ihre Emissionen kompensieren können.

Als Hilfestellung gibt es einen CO2-Rechner, der ausspuckt, wie viel Treibhausgas so ein Porsche in Abhängigkeit von Kilometerleistung und Verbrauch ausstößt. Bei einem Porsche Cayenne S, der laut Spritmonitor.de um die 15 Liter Super auf 100 Kilometer schluckt, kommen bei einer Jahresfahrleistung von 20 000 Kilometern fast sieben Tonnen CO2 zusammen. Das sind nahezu zwei Drittel der gesamten jährlichen Kohlendioxidemissionen eines Durchschnittsdeutschen. Halb so wild, könnte man meinen – einfach weniger fliegen, nicht so viel heizen und nur noch vegane und regionale Biokost futtern, schon stimmt die persönliche Ökobilanz wieder.

Mit nur wenig Geld kommt man zu einem reinen Gewissen

Aber so leicht will es Porsche seinen Kunden dann auch nicht machen. Stattdessen sollen Sie über Porsche Impact Umwelt- und Klimaprojekte fördern. Zur Auswahl stehen etwa der Schutz von Wäldern und bedrohten Tierarten in Simbabwe, der Bau von Fotovoltaikanlagen in Mexiko, erneuerbare Energien für Vietnam oder der Schutz alter Wälder auf der Afognak-Insel in Alaska. Egal wofür man sich entscheidet, in unserem Rechenbeispiel lassen sich durch eine Online-Überweisung in Höhe von 118,32 Euro die Emissionen für ein Jahr Cayenne-Fahren ausgleichen. So günstig kommt man zu einem porentief reinen Gewissen. Natürlich ist Porsche bei Weitem nicht das einzige Unternehmen, das Kunden solche Kompensationsgeschäfte anbietet – mit denen sicher etliche sinnvolle Projekte gefördert werden. Auch Luftfahrtkonzerne oder Logistikunternehmen haben entsprechende Dienstleistungen im Portfolio. Wahrscheinlich wird es nicht mehr lange dauern, bis man gleich an der Supermarktkasse einen Klima-Obolus für seine Einkäufe entrichten kann, bei deren Auswahl man als smarter Shopper eben noch auf jeden Cent geschaut hat.

Der Ablasshandel boomt, allerdings bietet die Version 2.0 deutlich mehr Komfort als das Original im Mittelalter. Ein Mausklick, und schon kann man unbeschwert weiter konsumieren, fliegen oder fahren. Und wer besonders viel verbraucht, kann natürlich auch mehr Geld für Umweltprojekte in aller Welt überweisen. „Rasen für die Rente“ hieß es, als die Ökosteuer auf Kraftstoffe eingeführt wurde, deren Einnahmen bekanntlich auch der Rentenversicherung zugutekommen. Und heute kann man beim Rasen gleich die ganze Welt retten. Welch ein Fortschritt! Warum wollen die Tempolimit-Fanatiker diesen einfachen Zusammenhang partout nicht verstehen?