Ab 29. Juni sollen alle Grundschüler wieder täglich Unterricht haben. Und Ganztagsschulen möglichst ganztags betreuen. In Stuttgart herrscht Rätselraten darüber, wie verlässliche Betreuungszeit und zeitversetzter Unterrichtsbeginn zu bewerkstelligen sein soll.

Stuttgart - Kaum haben die Schulen einen Präsenzunterricht mit geteilten Klassen im rollierenden System organisiert, müssen sie schon wieder umplanen: Wie das Kultusministerium am 16. Juni bekannt gab, soll es für alle Grundschüler vom 29. Juni an wieder täglichen Unterricht im Klassenverband geben, mit Schwerpunkt auf den Kernfächern – die Rede ist von vier Zeitstunden inklusive Pausen. „Die werden wir hinbekommen“, sagt Uwe Heilek, der Leiter der Grund- und Werkrealschule Gablenberg und geschäftsführende Leiter der Stuttgarter Grundschulen. Allerdings könne er da nur für seine Schule sprechen. Denn die Rahmenbedingungen seien an jeder Schule anders. Freut sich Heilek über die weitere Schulöffnung? „Den Kindern wird’s gut tun, dass die wieder in einen geregelten Rhythmus kommen und wieder in ihrer Bezugsgruppe sind“, meint der Schulleiter.

 

Ebenfalls zum 29. Juni ist auch Schluss mit der Notbetreuung. Von da an sollen auch die Ganztagsschulen ihr Angebot „möglichst umfassend“ vorhalten, wie es in dem Eckpunktepapier des Kultusministeriums heißt. Das könnte zeitlich von 8 bis 16 Uhr bedeuten, im besten Fall sogar von 7 bis 17 Uhr, falls genügend Personal da ist, um auch die Randzeiten zu bedienen. Die hätten in Gablenberg einige Familien dazu gebucht, so Heilek. Doch wie verträgt sich der verlässliche Zeitrahmen des Ganztags mit der Vorgabe, den Unterricht zeitversetzt beginnen zu lassen, damit die Klassen einander möglichst nicht begegnen? „Wir haben vor, dass wir die einzelnen Klassenstufen mit einer halben Stunde Abstand kommen lassen – die erste um 8, die letzte um 9.30 Uhr, sagt Heilek. Wie das mit dem Ganztag kombiniert wird, weiß er noch nicht.

Auch das Schulverwaltungsamt hält einen regulären Ganztag für schwierig

Auch Andreas Hein, der Leiter des Schulverwaltungsamts, sieht hier einen Knackpunkt. Insbesondere eine Rhythmisierung, also der Wechsel zwischen Lern- und anderen Phasen, werde kaum möglich sein. „Ein komplett regulärer Ganztag, wie man ihn in Stuttgart kennt, wird schwierig“, meint er, „das setzt ja voraus, dass das Personal in vollem Umfang da ist.“ Doch das könne von Schule zu Schule sehr unterschiedlich sein – sowohl beim Kollegium als auch bei den Sozialpädagogen. Einen Überblick darüber haben weder er noch Heilek, zumal sich zum 29. Juni auch die Regularien für vulnerable Lehrer ändern werden: Von da an muss jeder, der der Schule fern bleibt, ein ärztliches Attest vorlegen; bisher reichte eine einfache Willensbekundung.

Wie der Schulbetrieb nach den Sommerferien aussehen wird, wenn alle Schulen wieder normal öffnen sollen, auch die weiterführenden, kann Heilek noch nicht sagen. „Wir warten noch auf Details“, sagt er. Derzeit seien alle Schulen „gut damit beschäftigt, den Betrieb aufrecht zu erhalten“. René Wollnitz, der Leiter des Königin-Olga-Stifts im Stuttgarter Westen, befürwortet die Rückkehr aller Schüler sehr – „unter der Voraussetzung, dass die Covid-19-Pandemie unter Kontrolle ist“. Gerade die vergangenen drei Monate hätten den Stellenwert der pädagogischen Arbeit deutlich gemacht und wie wichtig die persönliche Begegnung für „richtigen Unterricht“ sei. Darauf freue sich sein Kollegium im Herbst schon, so Wollnitz.

Gymnasialleiter befürchtet Versorgungslücken durch vulnerable Kollegen

Auch sein Kollege Peter Hoffmann vom Wilhelms-Gymnasium in Degerloch erklärt: „Wir sind erleichtert, dass dann wieder alle Schüler normal kommen dürfen.“ Die Frage sei aber: „Wer unterrichtet die?“ Denn er rechne damit, so Hoffmann, dass aufgrund der Ausfälle, auch coronabedingt, mindestens 40 Wochenstunden nicht versorgt werden könnten: „Wir müssten eigentlich mit einem höheren Personalschlüssel ins neue Schuljahr gehen dürfen.“ Um vorzubauen, versuche die Schule schon jetzt, persönliche Kontakte zu aktivieren, Pensionäre anzusprechen und Kollegen zu bitten, aufzustocken – „vielleicht auch nur für ein halbes Jahr“, so Hoffmann.

Im Kultusministerium rechnet man damit, dass durch die Attestpflicht weniger Lehrer für den Präsenzunterricht ausfallen werden als zuletzt erhoben: da waren es noch 20 Prozent. An den Grundschulen könnten zudem auch Musik- oder Techniklehrer sowie pädagogische Assistenten oder Hausaufgabenbetreuer für eine ergänzende Lernzeit an der Schule eingesetzt werden.

Amtsleiter: Alle Stuttgarter Schulen erfüllen die Hygienestandards

Die Hygienestandards wegen Covid-19 stellen für die Stuttgarter Schulen offenbar kein Problem dar: „Alle Schulen erfüllen die Anforderungen“, sagt Hein. Das bestätigen auch die Schulleiter. „Wir sind hinreichend ausgestattet“, so Heilek und Hoffmann: Waschbecken in jedem Klassenzimmer, Seifenspender, Seife, Papierhandtücher. „Desinfektionsmittel und -tücher haben wir uns aus unserem eigenen Etat besorgt.“ Zudem investiert die Stadt rund 650 000 Euro zusätzlich für eine intensivere Schulreinigung.