Bei der Versteigerung von Baugrund setzt die Stadt auf ein kompliziertes Rechenmodell – es ginge auch einfacher.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Wer in Esslingen einen städtischen Bauplatz erwerben will, sollte über gewisse mathematische Grundkenntnisse verfügen. Ansonsten könnten ihm die Fallstricke, die die neu formulierte und jetzt vom Gemeinderat verabschiedete Auswahlmatrix für die Vergabe dieser Grundstücke enthält, zum Verhängnis werden.

 

Aber fangen wir von vorne an: Städte haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ihre Grundstücke an den Mann oder die Frau zu bringen – zum Festpreis oder gegen Gebot. Esslingen hat sich vor vielen Jahren für die Gebotsvariante entschieden, wohl auch, weil diese angesichts des überaus angespannten Wohnungsmarkts höhere Einnahmen verspricht.

Die Stadt gibt einen Mindestpreis vor

Konkret heißt das, dass die Stadt einen an den Bodenrichtwerten orientierten Mindestpreis pro Quadratmeter festlegt. Dann steht es jedem Bieter frei, eine andere, höhere Summe zu nennen, die er bereit ist, für das Grundstück zu bezahlen.

Doch selbst wenn er den höchsten Preis bietet, hat er noch lange nicht den Zuschlag bekommen. Denn die Stadt hat schon im Jahr 2015 eine Sozialkomponente in das Bieterverfahren eingebaut. So sollen Familien mit Kindern oder Bieter mit im Haushalt wohnenden Angehörigen, die schwerbehindert oder pflegebedürftig sind, bessergestellt werden als Bieter ohne familiäre Verpflichtungen. Auf diese Weise will die Stadt die beiden selbst verordneten politischen Ziele – Haushaltsdeckung auf der einen, die Förderung von Familien auf der anderen Seite – unter einen Hut bringen.

Das Punktesystem sollte Gerechtigkeit bringen

Jetzt wird es richtig kompliziert. Denn um zu ermitteln, welcher Bieter die Nase vorne hat, hat die Stadt 2015 ein Punktesystem eingeführt. Für jedes Kind gab es drei Punkte, für Schwerbehinderung und Pflegebedürftigkeit zwei Punkte. Besitzt jemand bereits eine Wohnung oder ein Haus, das er selber bewohnt, werden ihm drei Punkte abgezogen. Ursprünglich wurde – bei einem damals festgelegten Mindestpreis von 450 Euro pro Quadratmeter – jedem Interessenten pro mehr gebotenem Euro eine fixe Anzahl, nämlich 0,15 Punkte angerechnet.

So entsprachen drei Kinderbonuspunkte einer Aufstockung des Mindestgebots um 4,5 Prozent. Mittlerweile sind die Grundstückspreise in Esslingen aber derart gestiegen – sie liegen nicht selten bei 800 oder mehr Euro –, dass die soziale Komponente in den vergangenen Jahren angesichts der fixen Euro-Bonuspunktezahl kontinuierlich an Wert verloren hat.

Jetzt gibt es ein flexibles Bonussystem

Deshalb hat der Gemeinderat nun beschlossen, ein flexibles Bonus-Punktesystem einzuführen, das die Chancen von kinderreichen Familien erhöhen soll, an den gewünschten Bauplatz zu kommen. Das ist unter dem Sozialaspekt sicher richtig. Allerdings stellt sich die Frage, warum die Stadt überhaupt an dem Punktesystem festhält. Schließlich handelt es sich letztlich um eine einfache und vergleichsweise leicht nachvollziehbare Prozentrechnung.

Denn per neuer Definition wird nun für jedes Kind fünf Prozent auf das von der Stadt festgelegte Mindestgebot auf dem Papier draufgelegt. Ein Beispiel: Liegt der Quadratmeterpreis bei 800 Euro, landet eine Familie mit zwei Kindern, die diesen Mindestpreis bietet, in der Liste bei 880 Euro. Will ein Paar ohne Kinder den Zuschlag erhalten, müsste es also mindestens 881 Euro pro Quadratmeter als Kaufpreis angeben. Sind es weniger als die 880 Euro, erhält die Familie den Zuschlag, muss aber nur 800 Euro zahlen.

Bei Gleichstand entscheidet das Los

Wer keine Kinder hat und ein Haus besitzt, müsste in dem Rechenbeispiel sogar 921 Euro bieten, um die Familie auszustechen. Tut er das, freut sich die Stadt über kräftige Mehreinnahmen. Bietet er nur 920 Euro, entscheidet das Los. Analog ließe sich die Rechnung für Menschen mit einer Schwerbehinderung oder Pflegebedürftigkeit aufmachen. Sie bekommen dann in Zukunft einen Bonus in Höhe von 3,33 Prozent gutgeschrieben.

Momentan besitzt die Stadt Esslingen noch rund 20 Grundstücke, die gegen Gebot verkauft werden können. Erst wenn neue Wohngebiete in Esslingen ausgewiesen werden, wird die Regelung wieder an Bedeutung gewinnen. Vielleicht hat die Stadt bis dahin auch noch einmal das Punktesystem überdacht – damit auch Nichtmathematiker es besser verstehen.