In die Diskussion um ein NPD-Verbotsverfahren kommt Bewegung. Einige Landes-Innenminister wollen einen neuen Anlauf - aber so ganz einig sind sie noch nicht.

Berlin - Eine Woche vor der Innenministerkonferenz gibt es in den Ländern viele Stimmen für ein neues NPD-Verbotsverfahren - auf eine einheitliche Linie haben sie sich jedoch noch nicht verständigt. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa am Freitag. Es gebe keine Vorfestlegung auf ein NPD-Verbot, sagte IMK-Vorsitzende Boris Rhein (CDU) am Freitag. „Keiner will die NPD haben“, darin bestehe Einigkeit, bekräftigte der Hessisches Innenressortchef. Die Risiken müssten aber abgewogen werden. Es dürfe kein zweites Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht riskiert werden.

 

Die „Rheinische Post“ hatte berichtet, nach den jüngsten Verhaftungen im Zusammenhang mit der Mordserie der Neonazi- Terrorzelle gebe es eine „überwältigende und parteiübergreifende Mehrheit“ für ein neues Verfahren. Der Rechtsterrorismus ist das wichtigste Thema der Konferenz vom 7. bis 9. Dezember in Wiesbaden. Über ein mögliches NPD-Verbot werden die Minister voraussichtlich bei ihrem traditionellen Kaminabend ohne Delegationen sprechen, wie das hessische Innenministerium am Freitag mitteilte. Dies zeigt, welche Bedeutung sie dem Thema beimessen.

Verbotsverfahren 2003 gestoppt

Das oberste deutsche Gericht hatte ein erstes Verbotsverfahren 2003 gestoppt - und zwar wegen der unklaren Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes in Vorständen der NPD. Die Richter mahnten damals, das Verfahren müsse fair sein - NPD-Funktionäre könnten nicht gleichzeitig für den Staat spitzeln. Für ein neues Verfahren müssten die V-Leute zumindest aus den Führungsstrukturen abgezogen werden. Politiker hoffen, dass die Ermittlungen zur Terrorzelle belegen, dass Teile der NPD gewaltbereit sind, sich aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wenden - und damit die hohen rechtlichen Hürden für ein Parteienverbot niedriger werden.

Am Dienstag war mit dem früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle, der zehn Morde vorgeworfen werden, in Untersuchungshaft genommen worden. Daraufhin gewann die Debatte über ein mögliches neues Verbotsverfahren an Fahrt. Generalbundesanwalt Harald Range rechnet mit weiteren Belegen für die Nähe der Neonazi-Terrorzelle zur NPD.

Ein anderes Gewicht

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) plädierte am Freitag für die Einleitung eines neuen Verbotsverfahrens im ersten Halbjahr 2012. „Wir müssen alles zusammentragen, was in den vergangenen Jahren an Gewalttätigkeiten von NPD-Mitglieder bekanntgeworden ist“, sagte er. Wenn NPD-Mitglieder wegen Gewalttaten verurteilt worden seien, habe dies ein anderes Gewicht als irgendwelche Informationen von V-Leuten. Ein Abschalten aller V-Leute lehnte Herrmann erneut ab.

Einige Länder sind aber in der Frage eines neuen Verfahrens noch unentschlossen. So hieß es aus Niedersachsen, Innenminister Uwe Schünemann (CDU) habe sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Auch die Innenminister Baden-Württembergs, Schleswig-Holsteins, Berlins oder Brandenburgs plädierten für Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Kürzlich hatte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen um zu klären, ob ein neuer Verbotsantrag Erfolg hat. Aus mehreren Ländern hieß es am Freitag, vor einer Entscheidung müssten die Ergebnisse der AG abgewartet werden.

Zunächst nur ein Signal

Ein IMK-Beschluss für ein neues Verbotsverfahren wäre zunächst nur ein Signal. Nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat können einen Verbotsantrag stellen. Die IMK müsste den Beschluss ohne Gegenstimme fassen, da das Prinzip der Einstimmigkeit gilt. Der Bundesinnenminister ist als Gast der IMK nicht stimmberechtigt. Der Sprecher von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Jens Teschke, äußerte sich am Freitag in Berlin zurückhaltend zu einem neuen Verbotsverfahren. Die Risiken müssten sehr genau geprüft werden. Ein Scheitern wäre „der problematischste Ausgang“.

Der Vertreter des Bundestags im ersten NPD-Verbotsverfahren, der Juraprofessor Günter Frankenberg, äußerte sich skeptisch. „Es gibt ein Risiko, dass ein neuerlicher NPD-Verbotsantrag scheitert“, sagte er der Zeitung „Die Welt“ (Freitag). Grundsätzlich lasse sich der Vorwurf schon vermeiden, dass die Partei wegen der hohen Anzahl von V-Leuten des Verfassungsschutzes keine eigene Willensbildung mehr habe. „Dazu müssten die Verfassungsschutzämter der Länder aber bereit sein, sämtliche relevanten Spitzel aus der NPD-Führungsebene, Orts- und Kreisverbänden abzuschalten“, sagte er. Friedrichs Sprecher Teschke bestätigte, dass der Bundesinnenminister die Länder nicht anweisen kann, ihre V-Leute in der NPD abzuschalten.

Unterdessen hat das Bundeskriminalamt einen Tag nach dem öffentlichen Fahndungsaufruf etwa 60 neue Hinweise zur Zwickauer Zelle erhalten. Die Ermittler hoffen auf Hinweise darauf, wo sich Mitglieder der Gruppe in den vergangenen Jahren gesehen worden sein könnten.