Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wollte sofort nach der Verkündung der Pläne von US-Präsident Donald Trump Siedlungen im Westjordanland annektieren. Doch draus wird erst einmal nichts.

Jerusalem - Kaum war in Washington der „Deal des Jahrhunderts“ verkündet, konnte es Benjamin Netanjahu nicht schnell genug gehen: In der nächsten Kabinettssitzung werde er für eine Annexion von Territorien werben, sagte der israelische Premier, nachdem US-Präsident Donald Trump Ende Januar seinen Plan zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikt vorgestellt hatte.

 

Doch überraschenderweise schien er sein Versprechen nicht mit den Amerikanern besprochen zu haben, die daraufhin vor unilateralen und übereilten Schritten warnten. Nun musste der Premier zurückrudern und seine Pläne bis nach der Wahl im März verschieben. „Wir werden das mit dem Einverständnis der Amerikaner tun“, versprach der Premier nun.

Die US-Regierung bremst erst einmal

Der Trump’sche Plan sieht vor, dass Israel seine umstrittenen Siedlungen im Westjordanland sowie das strategisch bedeutsame Jordantal zum Staatsgebiet machen kann. Diese Landflächen umfassen etwa ein Viertel des Westjordanlands. Jenes Gebiet, das die Palästinenser zusammen mit Gaza als Territorium ihres zukünftigen Staates betrachten. Im Gegenzug sieht der Plan vor, den Palästinensern Gebiete nahe des Gazastreifens an der israelisch-ägyptischen Grenze zuzuschlagen. Dass es dazu je kommen wird, ist höchst unwahrscheinlich: Die Palästinenserführung hat den Plan empört abgelehnt und jegliche Verhandlungen darüber ausgeschlossen. Von Seiten der Trump-Regierung steht einer israelischen Annexion der Siedlungen auch ohne Zustimmung der Palästinenser nichts im Wege – sofern es mit den USA abgestimmt ist.

Missverständliche Signale aus Washington?

Das hatte Netanjahu bei seiner vollmundigen Ankündigung nicht berücksichtigt. Manche Beobachter argumentieren, die Amerikaner hätten missverständliche Signale ausgesandt. So hatte der US-Botschafter in Israel, David Friedman, anfangs behauptet, Israel müsse mit der Annexion nicht warten, nur um kurz darauf von Jared Kusher, dem Schwiegersohn und Nahost-Berater des US-Präsidenten, korrigiert zu werden. Derzeit erarbeitet ein israelisch-amerikanisches Komitee die Details einer möglichen Annexion.

Netanjahu kämpft ums politische Überleben

Netanjahu gerät derweil innenpolitisch unter Druck von seinen rechten Koalitionspartnern. „Ich rufe den Premierminister dazu auf, mit Hilfe einer sofortigen Abstimmung Souveränität über Judäa und Samaria auszuüben“, schrieb Verteidigungsminister Naftali Bennet, der Vorsitzende der Partei Neue Rechte. „Judäa und Samaria“ ist der biblische Name für das Westjordanland. Linke Politiker warnen vor dem Vorhaben. „Annexion bedeutet das Ende des zionistischen Traums von einem demokratischen Staat mit einer soliden jüdischen Mehrheit“, schrieb Yair Golan, ehemals stellvertretender Armeechef und Politiker des linken Parteienbündnis Demokratische Union.

Der Oppositionsführer Benny Gantz, der Vorsitzende der zentristischen Blau-Weiß-Partei, versucht sich an einem Mittelweg: Er ist für die Annexion des Jordantals, allerdings „in Koordination mit der internationalen Gemeinde“ – eine rein theoretische Option, da die meisten Staaten auf eine Verhandlungslösung mit den Palästinensern pochen. Netanjahu strickt draus eine Wahlkampfbotschaft: Nicht Gantz, nur er selbst könne die Annexion durchsetzen. Bisher scheint die Botschaft jedoch nicht zu zünden: In Umfragen liegt Blau-Weiß vor Netanjahus Likud-Partei.