Könnte der nächste Einstein aus Afrika kommen? Warum denn nicht?, lautet die Antwort auf dem „Next Einstein Forum“, das diese Woche im senegalesischen Dakar erstmals stattfand. Der Kontinent hat neben Forschergeist viel Optimismus zu bieten.

Dakar - Nachdem der Radiologe Samuel Achilefu im britischen Oxford habilitiert hatte, wollte er in seine Heimat zurückkehren. Er sprach mit seinem Doktorvater in Nigeria, der ihn dringend warnte: Es gebe daheim keine Forschungsmittel für das, was er da wolle. Achilefu ist dann als Professor für Radiologie an die Washington-Universität von St. Louis (USA) gegangen. Dort ist er ziemlich berühmt geworden mit der Erfindung eines Verfahrens, das mit der Gabe eines Kontrastmittels Krebszellen „wie einen Weihnachtsbaum“ zum Leuchten bringt. Sie können dann mit einer Spezialbrille erkannt werden – eine feine Methode, um bei Biopsien von Haut- und Brustkrebs gesundes Gewebe zu schonen. Und ein einfaches Verfahren, das selbst in einem afrikanischen Dorf angewandt werden könnte, sagt Achilefu: „Ich möchte von außen zur Entwicklung Afrikas beitragen.“

 

Der Mediziner ist einer der 500 aus Afrika stammenden Wissenschaftler, die am ersten panafrikanischen Forschungskongress „Next Einstein Forum“ (NEF) in den vergangenen drei Tagen in Dakar (Senegal) teilgenommen haben – und sein Beispiel ist typisch. Afrika birgt enorme Talente, aber sie finden keine adäquaten Rahmenbedingungen in ihrer Heimat. Der „Brain Drain“, die Abwanderung von Akademikern, war eines der Themen des von der Robert-Bosch-Stiftung, dem Afrika-Institut für Mathematikwissenschaften (AIMS) sowie dem Pharmakonzern Johnson und Johnson organisierten Treffen im Internationalen Konferenzzentrum „Abdou Diouf“, das eine halbe Autostunde außerhalb Dakars liegt und in seiner Hypermodernität und mit seinem grün gesprengten Rasen wie ein Fremdkörper wirkt im armen, staubtrockenen Senegal.

Türen und Herzen für Afrika öffnen

Der nächste Albert Einstein könnte im Prinzip aus Afrika stammen, da ist sich Joachim Rogall, der Geschäftsführer der Bosch-Stiftung, sicher. Deshalb ist das werbewirksame Motto gewählt worden. Doch dass dieses Forum die Abwanderung stoppen könnte, das glaubt auch Rogall nicht: Dazu bedürfe es eines Bündels von Maßnahmen, unter anderem besserer Arbeitsbedingungen an afrikanischen Universitäten. Aber die Stiftung könnte „Türen und Herzen für Afrika“ öffnen und das Next Einstein Forum solle Impulse geben. Es soll eine Plattform sein für die Begegnung von Wissenschaftler und dabei nach den Vorbildern schielen: dem Jahreskongress der AAAS in den USA (gegründet 1848) und der europäischen Wissenschaftsmesse ESOF (gegründet 2004). Zumindest dieser Anspruch, davon zeugt die teilweise euphorische Resonanz, scheint erfüllt zu sein.

An der Grenze zur Peinlichkeit lag nur der Versuch einiger Redner, Afrika nicht nur als „Wiege der Menschheit“ und Ursprung musikalischer und sportlicher Leistungen, sondern auch als Hort von Forschergeist zu beschreiben. Da sind die Pyramiden in Ägypten sowie Funde von geometrischen Zeichnungen in Südafrika (70.000 Jahre alt) oder von Affenknochen mit eingeritzten Primazahlen im Kongo (20.000 Jahre alt) bemüht worden. Weiterführender waren die Hinweise auf aktuelle Ideen aus Afrika, etwa durch Flavia Schlegel, Unesco-Referentin für Naturwissenschaften: die Erfindung biometrischer Prüfungen von Wahlberechtigten in Ghana, die Lancierung des ersten privaten Satelliten aus Afrika durch ein tüftelndes Dutzend von Gymnasiastinnen aus Südafrika oder ein innovatives und günstiges Wasserentsalzungsverfahren aus Ägypten. „Über Afrika sprechen, heißt über die Zukunft sprechen“, sagte Schlegel.

Die jüngste Bevölkerung in der Welt

Der Kontinent hat die jüngste Bevölkerung aller Weltregionen. Mit der Hilfe von 54-NEF-Botschaftern – einer aus jedem Land – sowie 15 Stipendiaten, den sogenannten NEF-Fellows, soll der Entdeckergeist junger afrikanischer Forscher belohnt werden. Sie erhielten in Dakar ein globales Forum. Die Bandbreite war groß. So sucht zum Beispiel die kenianische Medizinerin Evelyn Gitau nach Biomarkern, mit der bei fiebernden Kindern schneller und einfacher eine Diagnose gestellt werden kann. Der an der Universität Leipzig arbeitende Informatiker Axel Ngonga aus Kamerun wiederum erforscht die Verwaltung riesiger Datenmengen. Er sagt, dass man den Daten künftig nicht mehr wird sagen müssen, was sie machen sollen. Es werde genügen, ihnen Ziele zu geben, worauf sie eigenständig handeln werden – ein Paradigmenwechsel. Und der in Südafrika forschende Harvard-Absolvent Mohlopeni Jackson Marakalala sagt: „Ich möchte in meinem Land bleiben, bis die Tuberkulose ausgerottet ist.“ Er will herausfinden, wie durch Eingriffe ins Immunsystem und nicht durch direkte Attacken auf die Bakterien der Ausbruch der Krankheit blockiert werden kann.

Wissenschaft und Forschung in Afrika sollten die Lebensbedingungen auf dem Kontinente verbessern, im Gesundheitswesen und in der Landwirtschaft, das war das Credo von vielen beim NEF-Kongress. Und so wird beispielsweise schon das Crispr-Verfahren, ein gezielter Eingriff in das Erbgut von Pflanzen, auf dem Kontinent angewandt, um den Proteingehalt der Süßkartoffel zu verbessern. Dies berichtete Marceline Egnin von der schwarzen Universität Tuskegee in den USA.

Der wissenschaftliche Rückstand ist groß

Aber der wissenschaftliche Rückstand gegenüber Amerika, Europa und Asien ist enorm. Zitiert und als Skandal empfunden wurde ein Beispiel eines Nationalen Forschungsinstituts in Ghana, das nicht einen einzigen Cent öffentlicher Gelder erhält, sondern auf Zuwendungen angewiesen ist. „Wir werden nicht den nächsten Einstein in Afrika finden, wenn wir nur 0,6 Prozent unseres BIP für Wissenschaft und Forschung ausgeben“, betonte die südafrikanische Wissenschaftsministerin Naledi Pandor.

Man werde auch keinen Forscher in Afrika halten, wenn man ihm nicht die Gelegenheit zum forschen gebe. Es sei zu früh, nach Einstein zu suchen, sagten auch andere. 2,5 Millionen Ingenieure und 4,2 Millionen Lehrer fehlten in Afrika, hieß es in Dakar – und 30 Millionen Kinder würden nicht zur Schule gehen. Starke Forderungen sind an die nationalen Regierungen gestellt worden: Sie stünden in der Pflicht, mehr in Bildung zu investieren und die Wissenschaft zu stützen. Südkorea – früher auch unterentwickelt – war leuchtendes Beispiel.

Applaus für den „digitalen“ Präsidenten

Applaus erhielten immerhin der NEF-Gastgeber, Senegals Präsident Macky Sall, der zwei neue Universitäten gründen wird. Und Staatschef Paul Kagame aus Ruanda, der als „digitaler Präsident“ gilt. Er hat auf die Informationstechnologie gesetzt, 2,5 Millionen Laptops für seine Schulen angeschafft hat und persönlich 1,3 Millionen Follower auf Twitter. „Wir haben die industriellen Revolutionen verpasst. Wir müssen aufholen“, sagt Kagame. „Wir müssen in die Köpfe unserer jungen Leute investieren.“ 71 Prozent aller Ruander sind unter 30 Jahre alt. Ruanda hat keine Rohstoffe, es hat nur „Humankapital“. Es wird 2018 der Gastgeber des Next Einstein Forum sein.

Interview zu einem afrikanischen Prestigeprojekt: dem Teleskop SKA

In Afrika entsteht mit dem Radioteleskop SKA (Square Kilometre Array) das weltgrößte Instrument dieser Art. Kann sich der Kontinent diese Grundlagenforschung leisten oder sollte er sich nicht vielmehr auf naheliegende Probleme wie die Ernährung der Bevölkerung konzentrieren? Darauf gibt der langjährige Leiter des SKA-Projekts, Bernie Fanaroff, im StZ-Interview aus Dakar eine Antwort.