Die sozialen Einschränkungen aufgrund des Coronavirus können besonders für Menschen mit psychischen Krankheiten wie zum Beispiel Depressionen oder Angststörungen fatal sein. Was können Betroffene tun?

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Carina Peters (*Name geändert) beunruhigt die derzeitige Lage. „Diese Unsicherheit, wie lange das dauern wird . . .“, sagt die Stuttgarterin. Das Robert-Koch-Institut sprach die Tage von zwei Jahren. „Da hatte ich gleich die nächste Panikattacke“, sagt sie. Das viele Alleinsein macht ihr Angst. Sie wohnt alleine, arbeitet nun von daheim. Erst vor einigen Monaten hat sie eine Krise überwunden – vor allem Leute treffen, hat ihr geholfen. Sie versuche es derzeit damit, sich „rational rauszuziehen“. „Aber ich habe schon einige Nächte kaum geschlafen.“

 

Menschen mit psychischen Erkrankungen schadet Isolation immens

Isolation ist für Menschen schwer zu bewältigen. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzuständen kann die Kontaktsperre fatal sein. Alexander Rapp, Chefarzt der Stuttgarter Fliedner Klinik, will gar nicht zwischen „Gesunden“ und „psychisch Erkrankten“ unterscheiden: „Soziale Isolation ist auf Dauer ein ziemliches Gift für uns alle“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen könne Einsamkeit aber ein „riesen Problem“ werden, weil sie ohnehin häufig Gedanken hätten, dass sie unerwünscht seien oder anderen nur zur Last fallen.

Gerade in Situationen, die existenziell bedrohlich sind, bräuchten Menschen Kontakte. Was kann nun in den kommenden Wochen helfen? Wichtig sei nun ein Gefühl der Verbundenheit, sagt Rapp. Er rät, mit der Familie und Freunden über Telefon und soziale Netzwerke in Kontakt zu bleiben. Oder: „Die Italiener versammeln sich auf ihren Balkonen und machen Musik. Sie bleiben auf ironische Weise in Kontakt. Als Psychiater finde ich das klasse“, sagt Rapp.

Die gemeinsame Verantwortung kann die Belastung erträglicher machen

Elmar Etzersdorfer, Chefarzt des Furtbachkrankenhauses, empfiehlt, sich in Geduld zu üben. „Es kann helfen, die Vorgaben ernst zu nehmen, sich abzulenken und das zu tun, was einen schützt“, sagt der Facharzt für Psychiatrie und Psychosomatik. Er betont, es gehe nicht nur um die eigene Gesundheit: „Es ist eine gemeinsame Verantwortung, die wir haben. Die Solidarität kann die Belastung übrigens erträglicher machen.“

Wer alleine nicht mehr weiter weiß, findet trotzdem weiterhin professionelle Hilfe – wenngleich vieles derzeit über Telefonate läuft. „Die Versorgung psychisch kranker Menschen in der Landeshauptstadt Stuttgart ist aber sichergestellt“, heißt es aus dem Rathaus. Die Sozialverwaltung und die Träger arbeiteten „eng und vertrauensvoll“ zusammen.

So sind die sozialpsychiatrischen Einrichtungen der Evangelischen Kirche weiterhin im Einsatz. „Unsere drei Dienste sind telefonisch zu erreichen. Nach Absprache vereinbaren wir auch einen Termin im Freien“, sagt Ulrike Herbold, Pressesprecherin der Evangelischen Gesellschaft (Eva). Auch die Psychiatrischen Pflegedienste würden die Klienten weiterhin besuchen und für sie einkaufen. „Die Eva-Mitarbeitenden sind unter erschwerten Bedingungen unterwegs – doch sie sind weiter unterwegs.“

Therapeuten führen Videosprechstunden durch

Allerdings schließen auch viele niedergelassene Psychologen und Psychotherapeuten ihre Praxen vorübergehend. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat deshalb nun genehmigt, dass Psychotherapeuten im zweiten Quartal mehr Videosprechstunden anbieten dürfen. Auch Oliver Lombardi, Psychologischer Psychotherapeut mit privater Praxis in Botnang, plant, die Videotherapien mit seinen Patienten. „Die kommende Zeit wird auch für viele alleinlebende Menschen und Singles sehr schwer“, gibt er zu bedenken. „Da können sich auch Depressionen einschleichen.“

Wichtig sei es deshalb, so Lombardi, für Glücksgefühle zu sorgen, also beispielsweise zu joggen oder spazieren zu gehen. Sport an der frischen Luft helfe gegen Depressionen, mindere Ängste und baue Stress ab. „Am Besten ist es aber, sich eine intensive und sinnstiftende Betätigung zu suchen“, sagt Lombardi. Das könne ein größeres Renovierungsprojekt sein, eine Sprache lernen oder vielleicht sogar ein Buch schreiben. „Man kann die Krise nutzen“, sagt Lombardi. „Allerdings muss man wirklich ins Tun kommen.“

Anlaufstellen für Menschen mit psychischen Erkrankungen

DiensteDie Sucht- und Sozialpsychiatrischen Hilfen der Caritas sind teilweise geschlossen so die Beratungsstelle in der Katharinenstraße 2B. Der Notdienst ist erreichbar unter 0711/24 89 29 10. Die Beratungsstelle in der Sophienstraße 1c ist geöffnet. Das gemeindepsychiatrische Zentrum in Bad Cannstatt ist Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr unter 0711/52 04 60 60 zu erreichen.

Telefon Die Telefonseelsorge ist immer Tag und Nacht zu erreichen. Und zwar unter den Rufnummern 0800/111 01 11 (evang.) und unter 0800/ 111 02 22 (kathol.)

Online-HilfeDie Stiftung Deutsche Depressionshilfe unterstützt Betroffene mit digitalen Angeboten. Da viele Patienten durch das Corona-Virus zuhause bleiben müssen, ist das Programm „iFightDepression“ nun für sechs Wochen auch ohne Begleitung zugänglich. Betroffene können sich formlos über die E-Mail-Adresse ifightdepression@deutsche-depressionshilfe.de für das Programm anmelden und werden innerhalb von 24 Stunden freigeschalten.