Die Ausreden, die Annette Baumann hört, kommen von der Stange. Als Verkehrsüberwacherin ist sie täglich in Stuttgart-Degerloch unterwegs. Ihr Job ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Ein Kollege sei vor Kurzem sogar bespuckt worden.

Degerloch - Degerloch ist Annette Baumanns Revier, hier ist sie täglich unterwegs. Seit dreieinhalb Jahren arbeitet die 51-Jährige bei der Verkehrsüberwachung und achtet darauf, dass Autofahrer richtig parken. Zweieinhalb Stunden dauert eine Standard-Schicht bei der Verkehrsüberwachung. An jenem Freitag läuft sie die Epplestraße und die von ihr abgehenden Querstraßen mit Parkscheinpflicht von 16 bis 18.30 Uhr ab. Später geht es noch weiter rein in den Bezirk, denn die Zonen ohne Parkscheinpflicht werden bei Pendlern immer beliebter. „Sie kommen von außerhalb, stellen ihre Autos dort ab und fahren dann mit der Bahn in die Stadt“, sagt Baumann.

 

Keine Minute nach Schichtbeginn verteilt Baumann ihr erstes Knöllchen: Ein dunkler Audi parkt ohne Schein, außerdem ist sein TÜV abgelaufen. Baumann notiert die Daten und fotografiert das Auto. Der Fahrzeughalter bekommt demnächst Post. Neben der Verwarnung fürs Falschparken gibt es einen Mängelbericht, der ihn auffordert, seinen TÜV innerhalb von zwei Wochen zu erneuern. Weiter unten an der Straße zeigt der Parkschein eines grauen Daimler als Ende der Parkzeit 14:37 Uhr an. Es ist aber bereits 16:10 Uhr: auch hier werden zehn Euro fällig.

Sie hört immer dieselben Sprüche

Nicht selten trifft Baumann Falschparker persönlich an. Die Ausreden kommen dabei von der Stange: „Ich war doch nur kurz bei der Bank oder beim Bäcker“, das höre sie ständig. Ob sie das Knöllchen ausstellt, macht sie am Verhalten der Fahrer fest. Sind sie freundlich und zeigen Einsicht, haben sie bessere Karten. „Es kommt auch darauf an, ob ich den Vorgang schon abgeschlossen habe und er bereits im System ist“, so Baumann. Dann nämlich gibt es kein Zurück mehr. Hat sie gerade erst angefangen, belässt sie es bei einer mündlichen Verwarnung.

Leider sei es die Ausnahme, dass Falschparker einsichtig sind, sagt Baumann. Meist fühlen sie sich im Recht. Als eine Frau aus dem Rewe an der Epplestraße zu ihrem im absoluten Halteverbot stehenden Auto eilt, protestiert sie heftig. „Zwei Minuten, nur zwei Minuten“, ruft sie Annette Baumann entgegen.

Sie warnt den Mann gleich vorab

Auf dem Platz gegenüber der Eisdiele Amatista wird notorisch falsch geparkt. Die Fahrerin eines wuchtigen Geländewagens ist empört: Sie habe schwere Kisten ausgeladen und keinen anderen Parkplatz gefunden. Zu spät, das Knöllchen hängt bereits am Scheibenwischer. Annette Baumann kennt die Frau bereits, sie parkt nicht zum ersten Mal in der Verbotszone. „Ich verstehe die Frau ja“, sagt sie. Doch irgendwo müsse sie die Grenze ziehen – Regeln sind Regeln.

Kaum ist die Frau weggefahren, stellt sich ein junger Mann im Smart an dieselbe Stelle. „Am besten, Sie fahren gleich wieder weg“, ruft Baumann ihm zu. Die Frau mit der blauen Uniform sucht das Gespräch, wann immer es möglich ist: Eine Frau, die an der Leinfeldener Straße in der Brandschutzzone gehalten hat, fordert sie freundlich auf, das künftig nicht mehr zu tun. Einem Familienvater im schwarzen Minibus erklärt sie, dass er den nötigen Abstand zur Kreuzung nicht einhalte.

Ein Kollege sei sogar schon bespuckt worden

Bei grimmigen Blicken der Parksünder bleibt es leider nicht immer. Häufiger denn je werden Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung Opfer verbaler, mitunter gar körperlicher Gewalt. Annette Baumann spricht von einer Habachtstellung, die sich bei ihr verfestigt habe, wenn sie mit Autofahrern spricht. Dass sie ein älterer Mann einmal als „Straßenräuberin“ beschimpft hat, lässt Baumann noch schmunzeln. Doch die Sache an sich ist nicht zum Lachen. Ein Kollege sei vor Kurzem bespuckt und körperlich bedroht worden, nachdem er einen Strafzettel ausgestellt hatte. Immerhin wurde der Täter wegen räuberischer Erpressung verurteilt.

Um 17.15 Uhr ist die Hälfte der Schicht erreicht. Bislang hat Annette Baumann 14 Knöllchen verteilt. Ein eher ruhiger Tag also, doch zu Ende ist er längst noch nicht. Nach der Schicht geht es zurück ins Büro: Schreibarbeit und die Bearbeitung von Stellungnahmen stehen an – auch das gehört zur Verkehrsüberwachung.