Der 59-jährige Göttinger Thomas Oppermann ist die Speerspitze der SPD in der Spähaffäre. Er füllt die Lücke, die Frank-Walter Steinmeier hinterlässt.

Berlin - Wie auch immer der Tag im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages verläuft, einer wird ganz sicher wieder einen großen Auftritt haben: Thomas Oppermann, SPD-Mann und Vorsitzender jener Abgeordnetenrunde, deren Aufgabe es ist, die Arbeit der deutschen Geheimdienste zu überprüfen. In ruhigeren Zeiten wird diese Zusammenkunft selten genutzt, um den Konkurrenten eins auszuwischen. Aber jetzt ist Wahlkampf. Und deshalb schießen die Mitglieder aus allen Rohren, allen voran Oppermann. Er ist die Speerspitze der SPD im Streit über die Frage, was die Regierung von mutmaßlichen NSA-Lauschaktionen und Kungeleien mit deutschen Diensten wusste.

 

Der parlamentarische Geschäftsführer füllt damit die Lücke, die Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hinterlässt. Denn der agiert in der Geheimdienstaffäre gehemmt. Wohl auch deshalb, weil er lange als Kanzleramtschef zuständig war für die Geheimdienstarbeit. Auch heute werden es sich Union und FDP nicht nehmen lassen, Steinmeier deshalb anzugreifen. Oppermann wird sich dazwischenwerfen, Gegenfeuer legen. Nichts täte Oppermann lieber als das.

Sein Profil schärfte er auf Kosten der Partei

Man sieht dem Mann aus Göttingen seine 59 Jahre kaum an. Stets neigt er zu einem spitzbübischen Lächeln. Ironie ist ihm ebenso wenig wesensfremd wie das Streben nach hohen Ämtern. Man darf deshalb getrost annehmen, dass er nicht aus Selbstlosigkeit den schneidigen Angreifer mimt.

Oppermann liebt das riskante Spiel. Man konnte das beobachten, als Gerhard Glogowski im November 1999 als Ministerpräsident Niedersachsens zurückgetreten war. Für Oppermann war das zu früh. Zwar wurde der damalige Wissenschaftsminister als aufstrebendes Talent gehandelt, aber sein Profil schärfte er wie sein Vorbild Gerhard Schröder auf Kosten der Partei. Sein Vorstoß, Studiengebühren einzuführen, war zum Zeitpunkt des Glogowski-Rücktritts noch gut in Erinnerung. Ohne Rückhalt in der SPD und ohne Chance gegen den damaligen Fraktionschef Sigmar Gabriel warf Oppermann dennoch seinen Hut für die Nachfolge in den Ring. Die SPD-Gremien straften ihn ab, ihm wurde Arroganz und Realitätsblindheit vorgeworfen. Ihm schien das einerlei.

Fraktionschef Struck erkannte, dass Oppermann zu brillant ist

Nachdem die SPD 2003 aus der Regierung gejagt worden war, begann für Oppermann eine schwierige Zeit. In der niedersächsischen Tiefebene wurde es ruhig um das Talent. 2005 rettete er sich in den Bundestag, und wer ihn damals in seinem Berliner Abgeordnetenbüro besuchte, erkannte schnell, dass ihm dieses auf Dauer zu eng erschien. Er hatte das Glück, dass sich unter anderem Fraktionschef Peter Struck, selbst Niedersachse, gut an ihn erinnern konnte. Struck wusste, dass Oppermann zwar zum Spiel neigt, aber auch zu brillant ist, als das man auf seine Dienste verzichten sollte.

Im Schattenkabinett ist er der Mann für Recht und Ordnung

So wurde Oppermann 2006 Obmann im BND-Untersuchungsausschuss. Auch da hatte er Steinmeier den Rücken freizuhalten. Struck dankte Oppermann seine harte Gangart und machte ihn zum parlamentarischen Geschäftsführer. Im Schattenkabinett von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist Oppermann der Mann für Recht und Ordnung. Sollte die SPD wieder in der Opposition landen, ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass Oppermann die Solidarität mit Steinmeier aufkündigt.

Dann wird sich die Frage stellen, ob nicht Steinmeiers ausgleichende Art als Oppositionschef zur Niederlage beitrug. Vielleicht ist die SPD dann bereit, einem scharfzüngigen Spieler wie Oppermann eine Chance zu geben. Die Frage, ob er sich das zutraute, würde er wohl mit einem spitzbübischen Lächeln beantworten.