Wie gut qualifiziert muss Kitapersonal sein? Wie wichtig sind Deutschkenntnisse? Welche Anreize könnten die Fachkräftemisere mildern? Das sehen Elternvertreter, Erzieherinnen und Stadträte sehr unterschiedlich, wie eine Debatte im Cannstatter Jugendhaus Cann gezeigt hat.

Stuttgart - In Stuttgart fehlen mehr als 3000 Kitaplätze und 1000 Fachkräfte. Und mehr als 500 Plätze können zurzeit nicht belegt und Betreuungszeiten müssen gekürzt werden, weil Erzieher fehlen. Der Ausbau läuft zäh. Vor diesem Hintergrund hat der Gesamtelternbeirat (GEB) der Stuttgarter Kitas die Vertreter der Ratsfraktionen bei einer öffentlichen Veranstaltung im Jugendhaus Cann um Vorschläge zur Lösung der Misere gebeten.

 

Der GEB fordert eine Beibehaltung, Aufstockung und Ausdehnung des „Tarif plus“ auf alle Erzieherinnen sowie eine garantierte Kinderbetreuung. Rose von Stein (Freie Wähler) meint hierzu aber: „Wir kriegen das nicht finanziert.“ Zudem müssten dann auch andere Berufe im öffentlichen Dienst bedacht werden, etwa Müllmänner. Matthias Oechsner (FDP) sieht eine Finanzierung über höhere Kitagebühren als Möglichkeit. Müssten nicht bestimmte Berufe priorisiert werden? Ja, findet ein GEB-Vertreter – „die kinderbetreuenden Berufe. Dann hätten wir mehr Fachkräfte“. Applaus. Johanna Tiarks (Linke) plädiert für 200 Euro Ballungsraumzulage und den Betriebskitaausbau.

Noch mehr Pia-Ausbildungsplätze?

„Wir haben alle die Pias (bezahlte, praxisorientierte Erzieherausbildung) gefordert und sind immer an die Grenze dessen gegangen, was laut Verwaltung noch umsetzbar war“, verteidigt Iris Ripsam (CDU) das Vorgehen des Gemeinderats und meint auch die anderen Fraktionen. Oechsner ergänzt, Pia koste ja auch Geld – „irgendwann kann man ja nicht mehr ausbilden“. Konter aus dem Publikum: „Kann man nicht?“

Hier geht es zum Kita-Kompass

Der GEB schlägt eine vorübergehende Absenkung der Fachkräfte auf 80 Prozent vor, die restlichen 20 Prozent können ungelernte Mitarbeiter sein, die während ihrer Tätigkeit eingelernt werden. Johanna Tiarks (Linke) lehnt das ab: „Das hat schon in der Altenpflege nicht funktioniert, die Belastungen waren hoch.“ Auch Gabriele Nuber-Schöllhammer (Grüne) plädiert für „gut ausgebildete Erzieherinnen“. „Dann die Kita um 3 statt um 5 zumachen?“, ruft ein Mann aus dem Publikum. Den GEB-Vorschlag, den Fachkräftekatalog großzügiger auszulegen und auch Ergotherapeuten anzuerkennen, befürwortet Dominik Dörr (SÖS).

Welche Rolle spielt die Sprache?

„Fehlende Sprachkenntnisse – das macht doch nichts“, findet ein GEB-Vertreter und wundert sich, weshalb das Jugendamt nur 30 Fachkräfte aus dem Ausland anwerben konnte. Scharfe Kritik aus der CDU: „Sprache ist doch das A und O“, betont Ripsam. Eine Frau aus dem Publikum hält dagegen: „Wie hoch muss der deutsche Standard sein? Bei uns hat man ne Gruppe zumachen müssen, weil keine Erzieher da waren.“ Ein Besucher ergänzt: „Warum kann man nicht jemanden mit nem B2-Level einstellen? Die emotionale Bindung zu Kindern hängt doch nicht davon ab, ob die Grammatik perfekt ist.“ Eine Erzieherin aus dem Publikum bleibt skeptisch: „Wenn eine Mitarbeiterin nach einem Jahr eine einfache Anweisung nicht versteht – das geht doch nicht.“ Dörr, selber Erzieher, räumt das zwar ein, hält aber dennoch ein niedrigeres Sprachlevel für akzeptabel, dann müsse aber nachqualifiziert werden. Eine erfahrene Erzieherin aus dem Publikum hält dagegen: Der Beruf sei sehr komplex geworden, stelle große Anforderungen, es gebe viele Krankheitsausfälle, man könne die Entwicklungsgespräche nicht führen, das sei stressig. Und: „Der Erwachsene ist als Sprachvorbild sehr wichtig.“

Ein Mann schlägt vor, als Entlastung Eltern als Minijobber auf 450-Euro-Basis in den Kitas einzusetzen, eine Mutter findet auch: „Kindern beim Trinken oder Aus- und Anziehen zu helfen kann ne Mama.“ Dörr: „Das lässt der Fachkräftekatalog nicht zu, das geht nur on top.“ Auch Alexander Mak (SPD) findet das nur „halbgut“. Er schlägt vor, an Schulen intensiver über die Pia-Ausbildung zu informieren und auf Betriebskitas und den „Tarif plus“ zu setzen.