Auf den „Tag X“, an dem Live-Entertainment wieder erlaubt ist, sieht sich die Stage Entertainment gut vorbereitet. Chefin Uschi Neuss hat mit einem Aerosol-Forscher ein Konzept vorgestellt, wie Musicalhäuser auch in Stuttgart öffnen könnten.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - In Hamburg dürfen Musicaldarsteller seit wenigen Tagen wieder arbeiten – auf der Probebühne. Noch hebt sich nicht der Vorhang der Neuen Flora. Aber backstage wird schon wieder gesungen, getanzt, gespielt – und täglich getestet. Die Neuinszenierung von „Wicked“ wird gerade mit täglichen Begegnungen einstudiert – mit Antigen-Tests sowie PCR-Tests für Ensemble-Mitglieder, die sich im Stück nahekommen.

 

Diese Show, die von 2007 bis 2010 in Stuttgart zu sehen war, basiert auf dem Zauberer von Oz. Es geschehen also Wunder. Wann das Wunder geschieht, dass in Deutschland nach über einjähriger Zwangspause wieder ein Musical aufgeführt wird, ist freilich noch nicht geklärt. Uschi Neuss, die Deutschland-Chefin der Stage Entertainment, hofft für die Premiere von „Wicked“ in Hamburg auf Juni. Stuttgart soll möglichst bald mit „Tanz der Vampire“ und „Aladdin“ folgen, auch wenn hier die Proben bisher nicht begonnen haben. Der Vorverkauf für die lange verwaisten Möhringer Theaterhäuser startet bereits. Für die Blutsauger etwa gibt es Karten vom 12. Juni 2021 bis zum 23. Januar 2022. Der Termin im Juni dürfte kaum zu halten sein.

„Was wir alle brauchen, sind gemeinsame Erlebnisse“

Um „mehr Zuversicht“ bat Uschi Neuss bei einer digitalen Konferenz vor Journalisten. „Was wir alle brauchen, sind gemeinsame Erlebnisse“, sagte sie, „wir sollten alles versuchen, damit wir dies wieder hinbekommen.“ Die Stage-Chefin kritisiert die unterschiedlichen Maßstäbe, die von der Politik bei den teils schon seit 14 Monaten bestehenden Einschränkungen der verschiedenen Bereiche des Lebens zugrunde gelegt werden. „Live-Kultur ist elementarer Bestandteil menschlichen Zusammenseins“, sagt sie, „das wird zu wenig gesehen!“

Der Aerosolforscher Gerhard Scheuch, als Experte von der Stage geladen, stuft Theatersäle als sichere Orte ein, wenn man sich an einige Regeln streng hält. . Bundesweit bekannt wurde der 65-Jährige, weil er mit Kollegen einen offenen Brief an die Kanzlerin geschrieben hat, in dem stand, Ansteckungen im Freien seien äußerst unwahrscheinlich.

„Große Säle mit moderner Lüftungsanlage sind in aller Regn sicher“

„Musicalhäuser sind in der Regel sehr groß“, sagt Scheuch, „wenn dort nicht Unmengen an Menschen versammelt sind, darüber hinaus eine gute Lüftung vorhanden ist und Maskenpflicht fürs Publikum besteht, sind Vorstellungen möglich.“ Gefährlich sei es vor allem in kleinen, engen Räumen, etwa in Aufzügen. Man müsse also in den Toiletten der Musicalhäuser besondere Vorsicht walten lassen sowie bei den Ein- und Ausgängen. Ballungen müssten also verhindert werden. Die Wahrscheinlichkeit, sich in einem Raum mit großem Luftvolumen und moderner Lüftungsanlage mit Corona anzustecken, sei verschwindend gering und werde durch das Tragen von Masken noch weiter minimiert. Es bestehe dabei kein Unterschied, ob 20, 200 oder 2000 Gäste in dem Raum seien.

Scheuch rechnet vor: „Sollten zwei Superspreader in einem Theatersaal mit etwa 7000 Quadratmetern sitzen, könnte ein Besucher ohne Maske nach einer Stunde etwa 300 Viren einatmen. Erst ab dieser Zahl kommt es in aller Regel zu einer Ansteckung.“ Man könne also knapp 60 Minuten im Musicalsaal sitzen, ohne sich anzustecken. Mit Masken vergrößere sich diese Zeit. Mit aktivem Luftaustausch könne man dafür sorgen, dass die Zahl der 300 Viren während der gesamten Musicalshow nicht übertroffen wird.

„Man könnte neue Zugänge im Theater schaffen“

„Wir machen unsere Theater zu Safe-Häusern“, betonte Kerstin Schnitzler, Produktionschefin der Stage Entertainment und nannte einige Maßnahmen: Der Eingang erfolgt für getestete oder doppelt geimpfte Besucher kontaktfrei, die Besucherströme werden in großen Foyer auseinander gehalten, neue Zugänge sollen geschaffen werden, man könne Notausgänge aufmachen. „Bei uns gibt es nur personalisierte Tickets, sodass wir Gäste, falls dies notwendig werden sollte, nachverfolgen können“, betonte Schnitzler.

Wann die Proben in Stuttgart beginnen? „Sobald die Behörden sagen, in etwa zwei Monaten dürft ihr zurück auf die Bühne, rufen wir die Cast zurück und legen auf der Probebühne los“, sagt Stephan Jaekel, der Kommunikationschef der Stage. „Wicked“ in Hamburg sei etwas anderes, „weil es kein Probenbetrieb einer bereits bekannten Produktion“ sei, „sondern ein kompletter Show-Aufbau“. Dafür sei das Kreativteam nach Deutschland gekommen. Um alle Gewerke einer bereits einstudierten Produktion wie „Aladdin“ oder „Tanz der Vampire“ auf Vollbetrieb zu bringen, brauche man einen Vorlauf von zwei Monaten, erklärte Jaekel.