Amerikas dienstälteste Punkband, die Dead Kennedys, haben im Stuttgarter LKA ihre Europatournee eröffnet. Der Abend enttäuschte – in vielerlei Hinsicht.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Die Dead Kennedys ohne Jello Biafra sind wie Blondie ohne Debbie Harry“, gab es als wohlmeinenden Ratschlag vor der Abfahrt zum LKA noch mit auf den Weg, und da ist leider viel dran. Vor dem Longhorn könnte man sich anhand dreier Besucher vielleicht noch fragen, was weniger mit Punk zu tun hat: der Herr mit dem Louis-Vuitton-Bauchtäschchen, der Pfeifenraucher oder jener, der mit einem Regenschirm als Spazierstock anstolziert gekommen ist – doch das zählt nicht, denn aus sehr gutem Grund heißt eine Songzeile der Dead Kennedys ja „A Hairstyle’s not a Lifestyle“. Echt dürftig hingegen ist, was Ron „Skip“ Greer, der Sängerersatz für den legendären Frontmann Jello Biafra, zu bieten hat.

 

Eine hässliche Geschichte

Die Geschichte dahinter ist hässlich. Jello Biafra, bürgerlich (wenngleich sein Leben nie entlang bürgerlicher Konventionen stattfand) Eric Reed Boucher, wurden nach einer Klage der jetzt auf der Bühne stehenden drei Restmitglieder der Band vor einem US-Gericht und von einer offenbar nicht näher mit Musik vertrauten Richterin mehr oder weniger alle Rechte am Repertoire und den Tantiemen der Dead Kennedys aberkannt. Biafra hält das für ein Unding und hat eine Crowdfundingkampagne initiiert, um in Revision zu gehen – die Rumpfband dagegen stellt sich auf den plumpen Standpunkt, dass ein ordentliches Gericht ein gültiges Urteil gefällt habe. Biafra, aufgrund unzähliger Verdienste für das Gute und Richtige quasi ein wandelndes Mahnmal der Integrität, ist mit Sicherheit im Recht, das darf man nach Lektüre der Umstände und angesichts seiner Credibility sagen. Dennoch touren der Schlagzeuger D.H. Peligro, der Bassist Klaus Flouride und der Gitarrist East Bay Ray nun unter der Flagge Dead Kennedys, mit den Songs der Band und dem Ersatzsänger.

Das LKA ist mit geschätzt rund tausend Besuchern nicht gerade brechend gefüllt, was gewiss nicht nur an den sehr unpunkigen dreißig Euro Eintritt an der Abendkasse und dem ungünstigen Termin am Pfingstmontag liegt. Die Dead Kennedys beginnen um Punkt 21 Uhr und beenden den regulären Teil ihres Konzerts 49 Minuten später. Die Songs sind zwar bekanntlich kurz, aber das ist dennoch mehr als mager. Inklusive der beiden Zugaben ist nach siebzig Minuten Schluss. Zu hören gibt es inklusive der Zugaben alle Klassiker der Band – von „Kill the Poor“ über „Too drunk to Fuck“, „Nazi Punks fuck off“, die vor exakt vierzig Jahren erschienene Debütsingle „California über alles“ bis hin zu „Holiday in Cambodia“ – und dazu erstaunlich viel aus dem „Plastic Surgery Disasters“-Album.

Einer wird schmerzlich vermisst

Musiziert wird sehr originalgetreu und insbesondere von East Bay Ray sehr stoisch, um das Wort lustlos zu vermeiden. Garniert wird der dürre Vortrag mit schalen Witzen des ziemlich dümmlich wirkenden Ron „Skip“ Greer, dessen Singstimme den Sound leider wie einen flauen Abend mit einer Dead-Kennedys-Coverband wirken lässt. Ein in vielerlei Hinsicht unbefriedigender Auftritt, der schmerzlichst jenes beseelte Konzert vor knapp drei Jahren in Erinnerung ruft, als Jello Biafra im Stuttgarter Universum gastierte. Auch mit ein paar Dead-Kennedys-Songs im Repertoire, aber vor allem mit allem, was Punkrock wirklich ausmacht: einer überzeugten und überzeugenden Haltung.