Die kalifornische Band Deerhoof bietet in der Schorndorfer Manufaktur Noiserock mit aberwitzigen Volten.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Schorndorf - Dass ein Gehirn der etwas anderen Sorte in den Schädeln der Bandmitglieder tickt, hat Greg Saunier schon nach dem dritten Song klargemacht. Der hochgewachsene Schlagzeuger bequemt sich zum Mikrofonständer der sehr zierlichen Sängerin Satomi Matsuzaki, verrenkt sehr umständlich seinen Körper nach unten zum Mikro und versucht dann, aus dem letzten Winkel seines Gedächtnisses alles herauszukramen, was vor offenbar sehr, sehr langer Zeit mal in seinem Deutschunterricht vorkam. „Wir sind alle, aber wir sind heiß“, heißt der Satz, den er sich nun abringt, ehe er ebenso mühevoll, aber mit ungebremster Begeisterung munter weiter in deutscher Zunge vor sich hin dilettiert.

 

Deutschstunde für Anfänger

Und mit diesem verbalen Fingerzeig herzlich willkommen zur komischen Welt der kalifornischen Band Deerhoof, die am Mittwochabend zum bereits dritten Mal nach zwei Gastspielen 2010 und 2011 die Schorndorfer Manufaktur beehrt hat. Satomi Matsuzaki singt also, auf Englisch, aber es könnte auch auf Japanisch oder in irgendeiner Fantasiesprache sein, denn ihr Gesang setzt sich aus amorphen Versatzstücken zusammen. Dazu tanzt sie gerne und beseelt zur völlig untanzbaren Musik von Deerhoof. Und schließlich spielt sie Bass, wenn sie ihn nicht gerade mit einem der beiden Gitarristen tauscht, dem hünenhaften Koloss Ed Rodriguez mit seiner etwa einen Meter langen und nicht zu bändigenden Haartracht oder dem nahezu regungslos auf einem Stuhl verharrenden John Dieterich. Geboten wird psychedelischer Noiserock, der auch die aberwitzigsten Volten nicht scheut, mit einer Metrik, die jederzeit umkippt, mit Melodien, die jederzeit unvermittelt gebrochen werden, und mit einem Ensemblespiel, das so ziemlich alles sprengt, was in den einschlägigen Lehrbüchern zur Harmonielehre zu lesen ist.

Das liest sich, als ob das alles furchtbar anstrengend sei, doch das Gegenteil ist der Fall. Deerhoof beherrschen nämlich meisterhaft die Kunst, ihre Musik genau am schmalen Grat einzubremsen, an dem sie in die atonale Kakofonie abrutschen könnte. Und so fügt sich aus den Soundfragmenten der vier relativ autonom vor sich hin wurschtelnden Musiker doch ein verblüffend passgenauer Ensembleklang, der widerborstig und exaltiert ist, aber auch eine erstaunliche Sogkraft entwickelt.

Fleißkärtchen für gutes Benehmen

Allein der groteske Bühnenhabitus wäre das Eintrittsgeld wert gewesen (der Drummer Saunier etwa tapert noch zweimal zum Mikrofon, um beifallumrauscht Kostproben seines fulminanten Deutschkönnens abzuliefern), doch spätestens nach diesem Konzert begreift man, warum nicht nur die Kritik, sondern auch zahlreiche Musiker wie etwa Dave Grohl von den Foo Fighters in Hochachtung von dem Quartett aus San Francisco sprechen.

„Deerhoof deserve far more recognition“, sagt etwa Jonny Greenwood von Radiohead. Da hat er recht, nicht zuletzt leider auch, was den Publikumszuspruch in der recht schütter besetzten Manufaktur betrifft. Die Dabeigewesenen kamen immerhin früh heim – dass ein Konzert in der Manufaktur schon vor 22 Uhr endet (nicht beginnt!), ist rekordverdächtig –, denn nach einer Stunde Klanggewitter ist der Soundwolkenbruch auch schon abgeregnet. Das ist zwar als Spielzeit nicht üppig, aber an einem erfüllenden Abend dann doch stringent für eine Band, die es mit den gängigen Konventionen ohnehin nicht so hat.