„Atomox“ elektrisieren das Publikum bei der Reihe „out of the box“ im Neuen Rathaus.

Leonberg - Atomkerne und Elektrone schwirren durchs Foyer des Neuen Rathauses Leonberg. In der Konzertreihe „out of the box“ stellen Kay Zhang (Elektronik, Saxofon), Chi Him Chik (Elektronik, Saxofon) und Nikola Lutz (Eletronik, Saxofon) am Freitagabend als Formation „Atomox“ neue multimediale Projekte und Kunstansätze vor.

 

Und daraus ergeben sich elektrisierende Spannungsmomente. Bei „Satellite Error - Systematic Burning“ kommt es mit Spiralnebeln und schwarzen Löchern auf der Videoleinwand zu einer spannend-faszinierenden Begegnung mit dem Universum. Ein unheimlicher Rhythmus mit Blitzeffekten und zahlreichen elektronischen Mustern spürt die Geheimnisse des Weltalls auf. Saxofone und elektronische Klangerzeuger verbinden sich zu einer betörenden Einheit, die alle Sinne plötzlich für sich einnahm. Organismen entwickelten sich dabei sehr subtil aus kulturellen Hintergründen.

Bezug zur politischen Realität

Zum Höhepunkt wird dann der zweite Teil mit den Werken „Sold Propaganda - Distorted Cry“, „IIa Tremendous Yellow“ und „IIb Recommended Nation/nikola lutz - chile_2019 ‚our place / la plaza de nosotros’“. Nikola Lutz präsentiert hier mit ihrem gut aufeinander eingespielten Team eine Uraufführung der Live-Version ihrer Video-Filme über Demonstrationen und Aufstände in Hongkong und Chile.

So sieht das Publikum zwischen flimmernden Sequenzen immer wieder blutende und verletzte Menschen und große Menschengruppen, die sich vehement gegen bestehende Verhältnisse auflehnen. Die Muster verlöschen dabei ständig von selbst, reißen den Zuschauer ganz unmittelbar mit. Musikfetzen beschwören eine seltsame Harmonik. Im dritten Stück „Demeaning Mirror“ dominieren dann hohe Saxofontöne, die sich jedoch bald selbstständig machen. Schillernde Legierungen wechseln sich mit flüchtigen Verbindungen ab. Harmonische Kettenreaktionen führen zu gewaltigen akustischen Höhenflügen, die das Publikum mitreißen. Dabei wirken die Saxofonklänge oftmals wie irisierende Sirenengesänge. Das Bildschirmflimmern weckt mit seinen akustischen Nebengeräuschen sogar Assoziationen zu Vogelgezwitscher. Das Elektron wechselt hier mit unglaublicher Geschwindigkeit und facettenreicher harmonischer Vielschichtigkeit den Atomkern und verband sich mit anderen Ebenen.

Vielfältige Kompositionsweise

Ein Organismus aus Elektronik und Saxofonen spiegelt sich dabei auch in Gesichtern. So meint man sogar, die Saxofonistin Nikola Lutz in verfremdeter visueller Form wahrzunehmen. Die unglaubliche Vielfalt der Kompositionsweise nimmt das Publikum an diesem Abend jedenfalls gefangen. Es tun sich neue Welten des Hörens und Wahrnehmens von musikalischen Vorgängen auf. Kay Zhang aus Australien, Chi Him Chik aus Hongkong und die aus Leonberg stammende Nikola Lutz bilden hier ein außergewöhnliches Trio, das extreme mediale Kunststücke beschwört. Chromatische Prozesse gipfeln in kontrapunktischen Exzessen, wobei man sich fragt, ob denn der Computer jemals an seine Grenzen kommen würde.

Aber diese magisch-virtuelle Welt dringt wie das Raumschiff Enterprise in immer neue und aufregendere Galaxien vor, die wohl so noch nie erforscht wurden. Herzlicher und auch faszinierter Schlussapplaus des zahlreichen Publikums dankt den Künstlern für diese ungewöhnliche Performance in der verdienstvollen Reihe „out of the box“ des Kulturamts Leonberg.