Das Kulturzentrum Dieselstrasse geht erstmals in Richtung zeitgenössischer elektronischer Musik.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Ein Experiment in experimenteller Musik. Das hat das Kulturzentrum Dieselstrasse am Freitagabend unter dem Titel „Cosmic playgrounds“ veranstaltet und sich vom klassischen Repertoire aus Rock, Folk und Jazz auch in eine Richtung der Pop-Musik vorgewagt, die kaum mehr von der sogenannten zeitgenössischen elektronischen Musik unterscheidbar ist. Kosmisch oder abgespaced? Es war eher kosmisch, was Lisa-Marie Stückle erstmals an Musikern unter dem Dach der Dieselstrasse versammelt hat. Zum Beispiel Graham Dunning, der aus London angereist war. Er bespielte eine Art Labortisch, dessen Rhythmus ein einfacher Plattenspieler vorgab.

 

Mischung zwischen Fischer-Technik und Elektro-Labor

Den Tonarm hatte er festgebunden, so dass die Töne in einer Endlosschleife erklangen. Über dem Plattenteller rotierte eine eigens gefräste Holzscheibe, in die Dunning verschiedene Bananstecker baute, die wiederum gegen Sensoren trommelten und weitere Sounds erzeugte.

Verwirrend? Sagen wir, Dunnings Instrumentarium sah so aus, als hätte ein Elektronik-Labor sich mit einem Fischer-Technik-Baukasten vermählt. In diesen Schallplatten-Rhythmus hinein öffnete er am Laptop verschiedene Sounddateien, die Befehlzeilen übertrug er per Beamer hinter sich an eine Leinwand, quasi an das Publikum zum mitschwoofen.

Es waren nicht allzuviele Leute in das schicke Gebäude in der Esslinger Dieselstraße gekommen, doch es war ja auch das allererste Mal, dass sich das Haus einem Festival dieser Musik öffnete, wie die Dieselstrassen-Geschäftsführerin Sabine Bartsch sagte.

Erstmals zusammenarbeit mit dem Podium Festival

Und noch ein zweites Novum hatte Lisa-Marie Stückle ins Kulturzentrum eingeführt. Erstmals gab es zwei Bühnen, eine im Saal und eine im Foyer, damit konnten die Umbaupausen bewältigt werden, bei denen der heftige Kabelsalat, den die experimentelle elektronische Musik mitunter produziert, in Ruhe entwirrt werden konnte. Sogar noch ein drittes Novum gab es: Erstmals arbeitete das Esslinger Kulturzentrum mit dem Podium Festival zusammen.

Die Formation Piano Tube Techno (PTT) mit Konstantin Dupelius und Jonas Urbat brachte gefühlvolle Klavierpassagen, denen sie einen Teppich aus minimalistischen Dur-Akkorden unterlegten. Riesig im wahrsten Sinne des Wortes – denn er ist gefühlt zwei Meter hoch und wahrscheinlich tatsächlich zwei Meter zehn – war Jonas Urbats Tuba- und Posaunenspiel. Dabei sampelte er seine Soli live und ließ sie nachher vom Computer abspielen. Beim Publikum entstand so das Gefühl, die Melodie würde die Instrumente verlassen und ein Eigenleben im Konzertsaal führen.

Rein am Laptop entstand die Musik der Formation Benoît & the Mandelbrots. Sie hatten schwerklingende Akustik auf der Festplatte und loteten die musikalische Grenze zwischen Geräusch und Ton aus. Weil sie live am Computer spielten, und die Eingabe von Befehlszeilen naturgemäß Zeit brauchte, schufen sie ein ruhiges modulares Klangmeer. Auch sie hatten ihre Bildschirme an einen Beamer angeschlossen, damit das Publikum ihre Arbeit mitverfolgen konnte. Kleiner Leckerbissen am Rande: Die Befehlzeilen wurden auch auf die Musiker drauf projiziert, so dass sie mit dem grünen Zahlen im Gesicht zuweilen aussahen wie die Figuren der Kinofilmreihe „Matrix“.