Nach dem Ende von Sea+Air geht Daniel Benjamin den nächsten Schritt auf seinem Solopfad. Das Konzert am Sonntag im Merlin findet statt. Aber der Musiker hat eine dringende Bitte ans Publikum.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Über Kultur kann man derzeit kaum sprechen, ohne nicht auch über das Virus zu reden. Das gilt umso mehr, wenn man wie Daniel Benjamin derzeit auf Tour ist. Vor zwei Wochen ging es los, jeden Abend ein Auftritt – außer denen in Bayern dürften wohl alle stattfinden, darunter die Auftritte am Sonntag im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin, tags darauf im Café Hotrod in Calw und am 1. Dezember im Tübinger Sudhaus. Gespielt wird in eher kleinen Locations. Das passt gut zu dem Do-it-yourself-Ansatz des Künstlers, der nach dem privaten und beruflichen Aus des Duos Sea+Air den nächsten Schritt auf seinem Solopfad geht – und dafür in seinem Künstlernamen aus dem j in Benjamin ein y macht. Wozu die kleinen Locations dagegen eher nicht so gut passen, ist das gestiegene Infektionsrisiko. Oder?

 

Im Merlin gilt am Sonntag halbe Kapazität und 2 G mit negativem Coronatest. Mehr Sicherheit geht kaum. Trotzdem: „Für einige Abende habe ich mehr persönliche Absagen auf Facebook erhalten als Tickets verkauft wurden“, erzählt Daniel Benjamin am Telefon, als er nach dem Konzert in Münster gerade den Tourbus einräumt. „Viele kommen auch nicht, obwohl sie Karten haben. Kann ich alles nachvollziehen.“ Trotzdem spielen Benjamin und sein Bühnenpartner Zar Monta Cola die Konzerte. Einerseits, weil sie müssen – es ist in diesem verflixten Coronajahr die einzige Möglichkeit, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen.

Aufgeklärter Eskapismus

Andererseits: Als „aufgeklärten Eskapismus“ bezeichnet Benjamin die Konzerte. Und hat eine Bitte an die Freunde im Publikum: „Bitte keine Umarmungen. Wir dürfen uns nicht anstecken, sonst ist die Tour vorbei.“ Eskapismus ist das Stichwort. Eigentlich geht es darum, für anderthalb Stunden mal etwas anderes zu fokussieren als die Pandemie. Daniel Benjamin gelingt das nach eigener Aussage ganz gut: „Wenn du auf die Bühne kommst und einen vollen Laden siehst, denkst du kurz an Corona. Ansonsten ist das Thema ausgeschaltet. Das ist doch das Schöne daran, beim Spielen und beim Zuhören.“

Es lohnt sich: Vom neuen Album „Eral Fun“ sind zwar bislang nur zwei Singles veröffentlicht; es erscheint im Februar auf Benjamins Label Ghost Palace. Dass es eine sehr gute Popplatte geworden ist, wissen Pressemenschen aber schon jetzt, weil sie vorab reinhören dürfen.

Das Stuttgarter Publikum kriegt die Songs am Sonntag vorgespielt. Daniel Benjamin ist zu Recht stolz auf seinen in Ausdruck und Emotionalität gewachsenen Gesang. Dazu gesellen sich pointiertes Synthesizer- und Gitarrenspiel sowie die von Zar Monta Cola auch live verantwortete prägnante Rhythmusgruppe. Man hört heraus, dass das Album anders als der Vorgänger „Solitarity“ nicht in einsamen Berliner Souterrains aufgenommen wurde, sondern in verschiedenen Studios, unter anderem von und mit Böni Hahn. Das Beklemmende der Platte aus dem ersten Coronawinter ist einer gewollten Artifizialität gewichen, die man mögen muss und lieben kann.

Wie geht man am besten in dieses Konzert, ohne das Album zu kennen? „Wenn Menschen so hören wie ich, dann werden sie sofort auf einer emotionalen Ebene angesprochen“, hofft Daniel Benjamin. Die Kopflastigeren dürfen darüber staunen, wie viele verschiedene Klänge zwei Menschen auf der Bühne gleichzeitig erkennen können. Über Musik sprechen statt über Corona: Wenn das am Sonntagabend im Merlin gelingt, ist das schon ein Wert an sich.

Daniel Benyamin, Sonntag, 28.11., 20 Uhr, Merlin