Konzerte mit Risk sind Kult. Entsprechend gefeiert wurde nun zum 30-Jährigen der Band beim Konzert in der Zuffenhäuser Pauluskirche.

Zuffenhausen - Die Feste soll man feiern, wie sie fallen. Also hatte die Kult-Band aus dem Stuttgarter Norden gleich zwei Mal zum Happy Birthday in der Pauluskirche geladen. Während die Premiere noch ein wenig im familiären Rahmen über die Bühne ging, zeigte sich der mächtige Kuppelbau Freitagabend dann wie sonst nur noch an Heilig Abend: proppenvoll – und mit geballter Erwartung.

 

Mit ausgreifenden Schwebeklängen füllte Keyboarder Christophe Schwarz die Kuppelhalle und legte den Teppich fürs zügige Auftauchen der Band. Ein paar gewittrige Akkordstöße, ein paar knackige Schraffuren der Gitarren – und schon lichtete sich der in mystisches Blau getauchte Nebel. Überm Rock-liturgischen „Child’s Anthem“ à la „Toto“ schweiften bunte Pünktchen wie interstellare Seifenbläschen über die Raumhülle. Und schon sorgten Keyboard und dichter Gitarrensatz für eine orchestral tönende „Baker Street“ Marke „Eagles“, über der Thomas Hunkes brillantes Saxophon wie ein funky Kometenschweif hin- und hersauste. Eine Intensität, die von Gerri Neuhäuser mit energisch hämmernden Beats erst richtig hochgekocht wurde. „Was für ein Wahnsinn!“, konstatierte Leadsänger David Hanselmann denn auch, wobei er auch gleich 30 Jahre Rock-Verrücktheit resümierte.

Richtig guter Bandgesang

Alles also wieder bereit für die stundenlange, heiße Umarmung zwischen Risk und Publikum? Wie all die Jahrzehnte davor? Ganz so einfach und glatt sollte das aber dann doch nicht laufen. So klatschte das Publikum zwar gleich eifrig mit, und mit „Heartache tonight“ zeigte Risk neben kernigem Country-Rock, was sie neben manchem sonst so auszeichnet: richtig guter Bandgesang! Fein und volltönend zugleich, womit Risk auch die textlichen Botschaften der Songs zur Entfaltung und das Publikum zum konzentrierten Hören bringt. Das fügte sich perfekt zu den Vocals von David Hanselmann, der im „Simply Red“-Set die Coolness mit Gefühl und glühenden Höhen verschmolz und so mit der Rock-Hymne „You never walk alone“ dem Rock-Act in der Kirche einen „Holy Night“-Moment bescherte. Und doch wuchs der Eindruck, dass sich das alles ein bisschen schleppte. Allzu charmant und hakenlos klang da etwa Didi Knoblauchs „Englishman in New York“, ein bisschen müde, bemüht und abgenutzt auch die „Flötötöten“-Ansagen zu Jethro Tull, wenngleich da die Lokomotive mit ihrer Mischung aus Rock-Bombast und virtuosem Flöten-Tanz ordentlich ab ging. Schnell noch was für die Santana-Fraktion mit eingeschalteter Power-Batterie, sensibles Herzschmerz-Du mit dunklen Tränen („I don’t wanna talk about it“), ein paar 007-Shoots – und dann fast schon verschenkt mit selbstverliebtem Entertainment der Bob Dylan-Psalm „Knokin’ on heaven’s door“.

Sehr nachdenklich konnte man da in die Pause gehen. Trotz des allgemeinen Jubels. Hat sich da vielleicht ein bisschen viel Routine eingeschlichen ins Kult-Fest? Auch beim Publikum, das beim Retro auch die Sentimental Journey sucht, mit autosuggestiver Versuchung? Ein Hauch von Selbstzweck, in dem der rebellische, Konventionen sprengende Gestus des Rock nurmehr wie wohliges Entertainment wirkt? Man könnte irritiert sein . . .

Brodelnde Intensität

Im zweiten Teil allerdings gewann das Konzert spürbar mehr packende Unmittelbarkeit. Ein Fingerzeig gleich ein feines Unplugged-Set aus den Urzeiten der Band, und dann die Premiere: Risk als A cappella-Boy-Group! Schließlich durfte sich auch noch die Jugend ranschnuppern. Auf der Bühne. Wie weggeblasen wirkte nun die dünne Haut von Distanz, wie entfesselt die Band. Und zündend nun auch das Entertainment des Vocal-Duos, auch wenn es dem Affen Zucker gab. Viel Rock also für die Seele, mit schmelzenden, gefühlvollen Balladen. Und brodelnde Intensität! Mit messerscharf sägenden Riffs von Dietmar Klein und subtilem Feinwerk von Frieder Ege an den Gitarren. Und zwischendrin: Michael Ott, das heimliche Kraftwerk von Risk. Ein Mann wie ein Eiche, der aus den tiefen Rock’n’Roller-Wurzeln unermüdlich Power und fett schmatzenden Groove pumpt. So wuchs sich das alles doch noch zu jener Mega-Party aus, in der die emotionale Energie zwischen Band und Publikum wie in kommunizierenden Röhren zusammenfloss. Das passende Finale? Keine Frage! „Oh, happy day!“ Happy birthday, ringsum.