Hans Söllner und Götz Widmann kommen wieder in die Wagenhallen. Die Macher äußern sich zu den Plänen, die Interimsoper in ihrer Nachbarschaft unterzubringen

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Jetzt wäre doch die Zeit zum Entspannen gekommen: Der Bestand der Wagenhallen im Stuttgarter Norden ist längst gesichert, die Renovierungsarbeiten sind nach zwei Jahren größtenteils abgeschlossen. Die Wiedereröffnung wurde vom 26. bis zum 28. Oktober ausgiebig gefeiert, ein Programm für die nächsten Wochen und Monate steht jetzt ebenfalls – endlich mal Zeit für die Hängematte, sollte man meinen.

 

Kritik als produktiver Stachel

Nicht so bei den Machern der Wagenhallen. Im Gegenteil: Das kreative Chaos scheint jetzt erst so richtig zu funkeln und zu glänzen. Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod sowie Thomas Putze als einer der vielen aktiven Künstler auf dem Areal lassen es in einer kleinen Gesprächsrunde so richtig krachen, wenn es um das Thema geht, was da im Norden alles getan wurde in den vergangenen Jahren auf dieser Industriebrache, was jetzt alles getan wird und vor allem: Was künftig zu tun ist. Viel Lob hat es zuletzt gegeben über die Wiederauferstehung, aber auch Kritik. Kritik, die an den eifrigen Machern nagt. Kritik, die bei ihnen zum Teil auf Unverständnis stößt, die letztlich aber doch eher wie ein produktiver Stachel in ihrem Schaffen wirkt. Ein reines Konsensmodell sollen und wollen die Wagenhallen-Macher auch künftig nicht sein.

Oper oder Wohnkomplex

Und Etliches wird ja auch von außen an sie herangetragen. Jüngstes Beispiel, das sie wohl auch noch lange beschäftigen wird: der geplante Interimsbau der Staatsoper Stuttgart in unmittelbarer Nachbarschaft. Denn natürlich haben die Wagenhallen-Aktiven die für die Oper vorgesehene Fläche längst für sich verplant, haben dazu ja auch das offizielle Placet. Aber es ist halt schon sehr schwierig in einer Stadt wie Stuttgart, ein viele Hektar großes Freiland einfach mal freizuhalten mitten in der Stadt. Frei halten für künstlerische Überlegungen, für spontane Aktionen, fürs allmähliche Entwickeln und fürs mögliche Scheitern von Projekten. Ganz groß ist die Verlockung, da noch irgendeinen Zweckbau hinzustellen, von denen unzählige in den Regalen der Architekten dieser Welt bereit liegen.

Warum also nicht Oper, auch wenn für deren Raumbedarf eigentlich schon viele Arbeitsplätze für Künstler vergeben sind? Und vielleicht ist Oper doch besser als ein Wohnbau-Komplex? – Da wird undogmatisch gedacht. Thomas Putze etwa, der lieber mit der Motor- als mit der Laubsäge arbeitet: „Bei uns geht es schon auch mal laut zu. Das wird in der Oper aber sicher auch so sein. Zumindest werden die mehr Verständnis dafür haben als der Herr Müller, der hier mit seinem Dackel Gassi gehen will.“ Wie andere will Putze hier weitermachen, etwa wie zuletzt seine Weihnachtsaktion für Grobmotoriker frei nach dem Motto: „Nicht alle basteln gerne Strohsterne, sondern machen lieber was mit Schrott und Altmetall“.

Hochkultur muss passen

Diskutiert werden da auch prinzipielle Dinge. Mellmann: „Über Schallschutz hat noch niemand nachgedacht, wenn die Oper kommen soll. Wie soll das funktionieren, in welchen Dimensionen muss man sich das vorstellen?“

Oder Parkplätze: „Die Leute gehen abends in die Oper. Auch wir machen abends Veranstaltungen, viele sind schon ausverkauft. Und der Kunstverein kommt auch noch dazu. Da muss man dann mit 7000 bis 8000 Leuten hier vor Ort rechnen. Wo sollen die parken?“ Darauf legt Mellmann auch Wert: „Wir haben nichts gegen Hochkultur, aber es muss passen. 2005 etwa waren wir beim Festival Theater der Welt dabei mit der Reisskulptur. Das war eine feine Sache.“

Fragen, auf deren Antworten die drei drängen, die sie aber wohl lange nicht bekommen werden. Da ist es schon sinnvoller, sich auf sich selbst zu besinnen: Wie war das einst, als im Stuttgarter Norden in abgestellten Eisenbahnwaggons gelebt und Kunst gemacht wurde, als später die verwucherten Hallen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts allmählich wachgeküsst und bespielt wurden? Und wie wird das jetzt in diesen schick konservierten und modernisierten Räumen weitergeführt? – Ja, es ist schick geworden, in diesem Ambiente entre nous stilvoll zu feiern, viele haben das schon gebucht.

Günstig mit Club-Ticket

Aber dass dies zur Überschrift über die Wagenhallen werden soll, dagegen sträuben sich die Macher vehement. „Wir führen vor allem das weiter, das wir hier im Laufe der Jahre erfolgreich entwickelt haben. Das ist etwa die Reihe Balkanspezialitäten am 18. Januar etwa, die Konzerte von Hans Söllner am 20. Januar und von Götz Widmann am 7. Februar und von anderen Künstlern, die wir schon lange pflegen. Außerdem veranstalten wir wie bisher Auftritte von DJs wie von Elektromusikern, machen Kunst-Events, unsere Flohmärkte, die Wagenhallen-Nächte und vieles mehr“, so Mellmann.

Und damit wirklich auch alle kommen können, haben die Wagenhallen mit dem VVS ein spezielles Club-Ticket entwickelt: Das gibt es für sieben Euro, da ist für kleinere Veranstaltungen der Eintritt schon drin. Und es ist gültig bis fünf Uhr am nächsten Morgen. Getestet wird dies erstmals am 18. Januar für die Balkanspezialitäten.