Im Visier der Ermittler ist ein Karlsruher Unternehmen, das für die Bahn Baustellen absichert. Wegen Verdachts des besonders schweren Betrugs hat die Bundespolizei Firmensitze und eine Privatwohnung bei Offenburg durchsucht.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Erneut sind Auftragnehmer der Deutschen Bahn ins Visier des Staatsanwalts geraten. Wegen Verdachts des besonders schweren Betrugs durchsuchte die Bundespolizei am Dienstag fünf Firmensitze und eine Privatwohnung bei Offenburg. Ein Schwerpunkt der bundesweiten Razzia waren Karlsruhe und der Raum Stuttgart, wie die Bundespolizeidirektion Stuttgart und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe mitteilten. Insgesamt durchsuchten rund 300 Beamte Standorte in elf Städten und acht Bundesländern.

 

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung richten sich die Ermittlungen gegen eine mittelständische Firma mit Sitz in Karlsruhe. Auf Anfrage war dort niemand zu sprechen. Das Unternehmen sichert mit seinen bundesweiten Tochterfirmen Gleisbaustellen durch Absperrungen und gilt als einer führender Anbieter. Hauptbeschuldigter ist der 49-jährige Chef des Firmengeflechts. Ausgangspunkt der Ermittlungen war nach Angaben der Ermittler ein anonymer Hinweis an die Bahn.

Angaben zur Schadenssumme gibt es bisher nicht

Ein Sprecher des Staatskonzerns sagte auf Anfrage, man könne noch keine Angaben zur möglichen Schadenssumme machen. Es gehe jedoch um keine Kleinigkeiten, wie schon der Umfang der Durchsuchungen bei den Beschuldigten zeige. Abrechnungsbetrug von Dienstleistern sei ein häufiges Problem, besonders bei Firmen aus dem Niedriglohnsektor. Hier führe die Deutsche Bahn bereits etliche Gerichtsverfahren wegen mutmaßlicher Falschabrechnungen. So werde zum Beispiel beim Winterdienst von betrügerischen Dienstleistern mehr Personal abgerechnet als tatsächlich eingesetzt wurde. Deshalb kontrolliere man die Einsatzstellen mittlerweile per Satellit und GPS.

  Auch der Chef der beschuldigten Karlsruher Firma soll ein alter Bekannter bei der Bahn sein. Wegen strittiger Abrechnungen gebe es bereits laufende Verfahren beim Landgericht wegen Verdachts auf Abrechnungsbetrug, heißt es. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte betrügerisch erlangte Gewinne über sein Firmengeflecht aus den Unternehmen abgezogen haben.

Die Ermittler ließen sich bei der Prüfung der Vorwürfe viel Zeit. Bereits seit August vorigen Jahres nahm die Bundespolizeiinspektion Stuttgart die verdächtige Firma unter die Lupe. Es sei dabei auch darum gegangen, falsche Verdächtigungen auszuschließen, sagte ein Sprecher. Gerade in Baubranche schwärzen sich Konkurrenten auch mal gegenseitig an, um unliebsame Wettbewerber loszuwerden. Die Ermittler gehen von „einem erheblichen Schaden“ bei der Deutschen Bahn aus. Näheres werde die Auswertung des umfangreichen Beweismaterials zeigen, das sichergestellt wurde. Die Ermittlungen würden daher noch längere Zeit dauern.

Bahnmitarbeiter stehen diesmal nicht in Verdacht

Nach StZ-Informationen zählen Mitarbeiter der Deutschen Bahn nicht zu den Verdächtigen. Beim Konzern wurden dem Vernehmen nach keine Durchsuchungen durchgeführt. In der Vergangenheit sorgten immer wieder zahlreiche Betrugsfälle bei Bahnprojekten für Schlagzeilen, bei denen nicht selten auch Bahnmitarbeiter involviert waren und Schmiergeld kassierten. Der Staatskonzern vergibt jedes Jahr allein für den Erhalt und die Modernisierung des 34 000 Kilometer langen Schienennetzes und der mehr als 5000 Bahnhöfe Aufträge im Milliardenumfang und gilt als besonders anfällig für Korruption.

Die Bahn hat in den letzten Jahren viele Initiativen ergriffen, um solche Betrügereien zu verhindern, schoss dabei allerdings teilweise übers Ziel hinaus. So löste die zeitweise flächendeckende Überwachung des E-Mailverkehrs der Mitarbeiter einen Datenskandal aus, in dessen Folge der frühere Bahnchef Hartmut Mehdorn und weitere Vorstände abgelöst wurden.