Die Coronakrise kostete die Landesregierung einen Milliardenbetrag. Hilfsprogramme, Tests, Impfzentren – für was viel ausgegeben wurde und was mit dem „übrigen“ Geld passieren soll.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Der Kampf gegen Corona war teuer – nicht nur für viele Unternehmen in Baden-Württemberg, auch für das Land selbst. Ob für Hilfsprogramme, Corona-Tests oder die Impfzentren: Insgesamt 9,3 Milliarden Euro hat die grün-schwarze Landesregierung gebraucht, um durch die vergangenen drei Jahre Pandemie zu kommen. Das zeigen Zahlen des Finanzministeriums, die unserer Zeitung vorliegen. Wohin ist dieses Geld geflossen?

 

Ursprünglich waren sogar deutlich höhere Kosten veranschlagt

Am meisten ausgegeben hat das Land für Hilfsprogramme: Insgesamt 6,4 Milliarden Euro. Davon gingen allein drei Milliarden Euro an die Kommunen in Baden-Württemberg, öffentliche und private Unternehmen hat das Land mit 2,5 Milliarden Euro unterstützt, Vereine und andere gemeinnützige Organisationen haben 257 Millionen Euro erhalten. Einen großen Kostenfaktor stellten auch alle zusätzlichen Ausgaben der Verwaltung für die Pandemie dar: 1,6 Milliarden flossen in diesen Bereich. Mit Corona-Tests und Impfungen versuchte das Land, die Pandemie in den Griff zu bekommen – und investierte für diese Maßnahmen auch dreistellige Millionenbeträge: Tests und Schutzausrüstung kosteten 715 Millionen Euro, die Impfzentren 571 Millionen Euro.

Bei diesen Summen kann es einem schwindelig werden, aber ursprünglich veranschlagt waren sogar höhere Kosten: Kreditermächtigungen in Höhe von 14,6 Milliarden Euro hatte der Landtag abgesegnet, um die Corona-Folgen abzufedern. Die Landesregierung hat also noch 5,3 Milliarden Euro „übrig“, beziehungsweise: 5,3 Milliarden Euro weniger Schulden gemacht als geplant.

Mit 5,3 Milliarden Euro Investitionen nachholen?

Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) will mit diesem Geld die Schulden des Landes tilgen. „Wir haben die Notkredite aufgenommen mit einem klaren Zweck: die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen“, teilte Bayaz auf Anfrage mit. Das Geld, das nicht gebraucht werde, solle also wieder zurückfließen – und nicht etwa für andere Bereiche ausgegeben werden.

In den Reihen der Opposition hingegen werden Stimmen laut, die dem Land einen knausrigen Pandemie-Kurs vorwerfen: „Dass die Landesregierung rund fünf Milliarden Euro weniger ausgegeben hat, als sie konnte, ist kein Grund zur Freude. Im Gegenteil: Diese enorme Summe beweist, dass Grün-Schwarz wichtige Aufgaben einfach nicht angepackt hat“, kritisiert der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch und nennt die Schulen, die Krankenhäuser und die Pflege, wo das Geld nun fehle. Mit den 5,3 Milliarden Euro habe die Landesregierung aber jetzt die Chance, die versäumten Investitionen nachzuholen.

Unternehmen sprechen sich gegen Schuldentilgung aus

Dafür plädiert auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg: „Dieses Geld sollte nicht in die Schuldentilgung fließen, sondern in dringend notwendige Investitionen. Wir haben viele Baustellen“, sagt GEW-Sprecher Matthias Schneider. Es fehle etwa an genügend Schulpsychologen für die 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler im Land: „Wenn Ministerpräsident Kretschmann es ernst meint, dass Schulschließungen falsch waren: Dann muss die Regierung etwas tun, dass die Folgen bekämpft werden.“

Auch die Handelsunternehmen im Südwesten appellieren an Grün-Schwarz: „Die Landesregierung sollte die Möglichkeit nutzen und den vollen, vom Landtag erteilten Kreditrahmen zum Kampf gegen die Pandemie ausschöpfen“, fordert Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg.

Mit den Milliarden könnten finanziell gebeutelte Firmen unterstützt werden. „Das Ziel muss weiterhin sein, dass kein Unternehmen aufgrund der Folgen von Corona schließen darf“, so Hagmann. Zustimmung kommt vom Bund der Selbstständigen (BDS): „Viele kleine und mittelständische Unternehmen stehen weiterhin mit dem Rücken zur Wand aufgrund der Nachwirkungen von Corona, den wirtschaftlichen Folgen durch den Krieg in der Ukraine und der Energiekrise“, klagt BDS-Präsident Jan Dietz.

FDP und AfD befürworten Pläne von Finanzminister Danyal Bayaz

Die Familienunternehmen im Land sind hingegen anderer Meinung: „Wegen finanziellen Engpässen durch Corona hat keiner zugemacht, das Personal ist abgewandert“, sagt Joachim Schramm, Mitglied im Landesvorstand von „Die Familienunternehmer e.V.“. „Deshalb ist der einzige richtige Schritt, dass das Geld zurückgeführt wird.“

Dieser Meinung sind bis auf die SPD auch die anderen Landtagsfraktionen: „Das Land sollte umgehend diese 5,3 Milliarden Euro zur Schuldentilgung verwenden“, fordert der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke. Der Politiker befürchtet aber, „dass die Regierung diese Milliarden zurückhalten will, um im Vorfeld der nächsten Landtagswahl Wahlgeschenke zu finanzieren“. Auch die AfD unterstützt Bayaz’ Vorhaben: „Schuldenabbau ist notwendiger denn je. Wie die Corona-Schulden selbst deutlich zeigen, ist die Landesregierung nicht verlegen darum, am laufenden Band neue Schulden aufzunehmen. Diese müssen natürlich irgendwann abgebaut werden“, sagt AfD-Fraktionschef Anton Baron.

Finanzminister Bayaz entgegnet den Wünschen der SPD, der Unternehmer und der GEW: „Wir können nicht einfach ungenutzte Corona-Kredite für andere politische Zwecke umwidmen. Hier gibt es enge rechtliche Vorgaben der Schuldenbremse.“ Die Pandemie sei für sein Haus noch nicht beendet, erst kürzlich floss weiteres Geld an die Unikliniken im Land, um Corona-Defizite auszugleichen. Der Kampf gegen Corona droht am Ende also noch teurer zu werden.