Minister legt seine Pläne zur Sicherung der Krankenkassenfinanzen vor. Die Beiträge steigen und es gibt mehr Geld vom Staat. Aber Strukturreformen fehlen.

Das muss man Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zugestehen: Er hat Wort gehalten. Unter seiner Amtsführung werde es zu keinen Leistungskürzungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommen, lautete sein Versprechen, als er das Ressort übernahm. Nun hat er sein Konzept zur Stabilisierung der maroden Finanzen in der GKV vorgelegt und Leistungskürzungen gibt es tatsächlich nicht. Stattdessen steht aber den 57 Millionen beitragspflichtig Versicherten eine Erhöhung der Zusatzbeiträge um 0,3 Prozent ins Haus.

 

Bei Lindner auf Granit gebissen

Die durchaus merkliche Anhebung ist auch deshalb notwendig, weil Lauterbach bei Bundesfinanzminister Christian Lindner auf Granit gebissen hat. Mit einem um weitere zwei Milliarden Euro erhöhten Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro packt Lindner nur einen vergleichsweise geringen Betrag drauf, um das für 2022 erwartete Defizit von 17 Milliarden Euro zu schließen. Erstaunlich: Lauterbach stellt sich ausdrücklich hinter Lindners Ziele, keine Steuern zu erhöhen und die Schuldenbremse einzuhalten. Erstaunlich deshalb, weil Lauterbach doch Sozialdemokrat ist. Dass er und seine Partei in einer Zeit, in der Land von mehreren schweren Krisen gleichzeitig getroffen wird, weder den Fetisch Schuldenbremse in Frage stellt, noch die Debatte über Mehreinnahmen zumindest beginnt, ist bemerkenswert. Sogar die bürgerlichen Regierungen in Großbritannien und Italien nehmen die Übergewinnsteuer zur Abschöpfung besonders hoher Gewinne aus Kriegsfolgen in Angriff. Das würde Spielräume eröffnen.

In Sachen eines höheren Bundeszuschusses ist der Staat eigentlich schon deshalb in der Pflicht, weil die prekäre Finanzlage der Kassen keineswegs durch ihre Misswirtschaft verursacht wurde, sondern zu sehr großen Teilen durch politische Entscheidungen. Etwa die Spahnschen Pflegepersonal-Gesetze oder das Terminservice-Gesetz, das teuer, aber weitgehend wirkungslos geblieben ist. Da stimmt Lauterbachs Hinweis, dass er die Finanzprobleme von seinem Vorgänger geerbt hat.

Hoher Mehrwertsteuersatz auf Medikamente

Es stimmt auch, dass für die GKV schnelle Lösungen her mussten. Wenn aber Beitragserhöhungen unvermeidlich sind, dann müssten sie dringend mit strukturellen Reformen verbunden werden. Dazu zählt die Auslagerung versicherungsfremder Leistungen. Da geht es etwa um Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Und warum auf Grundnahrungsmittel 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden, lebenswichtige Medikamente wie zum Beispiel in der Krebsbekämpfung eingesetzte Zytostatika oder Blutdrucksenker hingegen mit 19 Prozent belastet sind, ist auch eines dieser ewigen Rätsel im Mehrwertsteuer-Dickicht. Eine Absenkung würde die Kassen erheblich entlasten. Schätzungen belaufen sich auf rund sechs Milliarden Euro. Ignoriert wird vom Staat auch das Problem der viel zu niedrigen Beitragspauschalen, die die Kassen für Langzeitarbeitslose vom Staat erhalten. Alle Experten sind sich darüber einig, dass hier Abhilfe geschaffen werden müsste.

Im Herbst werden sich soziale Konflikte verschärfen

All diese Maßnahmen werden nicht angegangen. Stattdessen geht das alte Spiel weiter: Reserven beim Gesundheitsfonds und den Krankenkassen werden weiter abgeschmolzen, das System wird weiter ausgewrungen.

Ja, Lauterbach und Lindner haben einen Krisenherd kurzfristig entschärft. Für die Bundesregierung ist das alles mittelfristig aber hoch brisant. Inflation und Energiekrise werden im Herbst soziale Konflikte vehement verschärfen. Die Ampel muss um jeden Preis den Eindruck vermeiden, dass für die Aufrüstung der Bundeswehr fast beliebig Geld da ist, das schmerzlich bei der gerechten Lastenverteilung der Krisenkosten fehlt.