Die SPD in Böblingen ist empört: Unbekannte haben gezielt das Konterfei einer türkischstämmigen Kandidatin geschwärzt. Die Partei hat Anzeige erstattet. Schmierereien und Zerstörungen beklagen aber fast alle Parteien.

Böblingen - Güler Dogan-Yüzmüs ist sichtlich betroffen. „Als wir das erste Plakat mit meinem schwarz übermalten Kopf in der Poststraße gesehen haben, dachten wir: Das ist Gekritzel“, sagt die 46-Jährige. Doch das zweite Plakat in der Pontoiser Straße sei eindeutig gewesen. „Nur die Augen waren frei. Freunde von mir haben gesagt: ,Das sieht aus, als ob du eine Burka trägst.‘“ Auf ähnliche Weise verunziert war auch ein dritter Werbeträger in der Goerdelerstraße. Auch hier war als einzige Dogan-Yüzmüs schwarz angemalt. Die Fotos der beiden anderen Kandidaten sind unversehrt.

 

Güler Dogan-Yüzmüs fühlt sich diffamiert. „Nur weil ich einen türkischen Namen trage, soll ich offenbar eine Burka tragen. Das finde ich verletzend“, sagt sie.

Anzeige bei Polizei erstattet

Auch Florian Wahl, der Fraktionschef der SPD im Böblinger Gemeinderat, ist empört. „Das ist eindeutig rassistisch. Es macht mich betroffen, dass eine Frau wie Gül, die sich vielfältig in unserer Stadt engagiert und die ich persönlich gefragt habe, ob sie für unsere Partei antreten möchte, so diffamiert wird.“ Wahl hat deshalb Anzeige bei der Polizei erstattet.

Dogan-Yüzmüs kandidiert auf Platz 11 der Wahlliste der Böblinger SPD für den Gemeinderat. Sie ist bekannt in der Stadt. Jahrelang war sie im Vorstand des Rallye Clubs Böblingen und des Alevitischen Kulturvereins. Zudem ist sie stark engagiert im Förderverein des Otto-Hahn-Gymnasiums, das ihre beiden Söhne besuchen. Als Heilpraktikerin mit einer chiropraktischen Praxis hat sie darüber hinaus viele Patienten in Böblingen – und sie ist aktiv im Integrationsrat der Stadt. „Unser Thema ist das Aufeinanderzugehen“, sagt sie. Um so mehr treffe es sie, wenn man sie offenbar ausgrenzen wolle. „Dieses Übermalen signalisiert: Sie gehört nicht zu uns“, findet auch Florian Wahl.

Auch für Uwe Vinçon, den Chef der Abteilung Staatsschutz bei der Böblinger Kriminalpolizei, stecken hinter dieser Kritzelaktion „offenbar ausländerfeindliche Motive“. Die Polizei werde der Sache nachgehen. Eine solche Verunstaltung wertet die Polizei als Sachbeschädigung und Beleidigung.

Allerdings sei die Böblinger SPD nicht die einzige Partei, die mit verunstalteten Wahlplakaten zu kämpfen habe. „Im gesamten Landkreis werden Plakate abgerissen, bekritzelt und gestohlen“, sagt Vinçon. „Und zwar von allen Parteien“, betont er. Weil dahinter zumeist politische Motive steckten, sei dieses Thema beim Staatsschutz angesiedelt.

Alle Plakate in einer Straße heruntergerissen

Ungewöhnlich für ihn, der sich seit vielen Jahren mit diesem Phänomen beschäftige, sei die Fülle an Taten bei dieser Wahl. „Normalerweise haben wir vor allem bei Landtagswahlen starke Beschädigungen. Bei Europa- und Kommunalwahlen ist das normalerweise nur vereinzelt der Fall.“ Doch allein in den vergangenen zwei Wochen seien 22 Anzeigen wegen der Beschädigung von Wahlplakaten eingegangen. Und dabei handle es sich nicht um einzelne Plakate, sondern „in einigen Fällen um ganze Straßenzüge“. Dort seien die Plakate aller Parteien systematisch heruntergerissen worden.

Vor allem im nördlichen Landkreis um Leonberg und Renningen herum sei die AfD stark betroffen. In Sindelfingen standen Plakate der CDU im Fokus. „Einmal haben wir zwei mutmaßliche Täter auf frischer Tat geschnappt. Die stammten offenbar aus dem linken Spektrum. Aber genauso sind auch Täter des rechten Spektrums unterwegs“, berichtet Uwe Vinçon.

Für Walter Arnold, den CDU-Fraktionschef im Sindelfinger Gemeinderat, ist das Thema Plakatbeschädigung „ein Spiegel unserer Gesellschaft“. In der Maichinger Unterführung seien sämtliche Plakate heruntergerissen worden: die der CDU, der Grünen und der SPD. „Und die der AfD wurden mit Parolen wie ‚Nazis‘ beschmiert“, sagt Arnold. Er verurteilt solche Aktionen, nimmt es aber gelassen. Die CDU würde jedenfalls keine neuen Plakate aufhängen. Die Böblinger SPD gibt sich indes kämpferisch. „Jetzt erst recht“, sagt Güler Dogan-Yüzmüs, die als Achtjährige aus der Türkei nach Deutschland gekommen war. „Ich lebe seit 23 Jahren in Böblingen. Das ist meine Stadt und ich möchte sie gerne mitgestalten.“