Der Landkreis Esslingen ist mit dem Abbau von Überkapazitäten bei der Flüchtlingsunterbringung in Verzug. Das könnte ihm nun zum Vorteil gereichen.

Hochdorf - Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) sieht das Land gut auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet. Auch in den Landkreisen gebe es noch genügend leere Betten in den Erstaufnahmeunterkünften, führte der Ministerpräsident sinngemäß in seiner jüngsten Stellungnahme zur angespannten Situation im griechisch-türkischen Grenzgebiet aus. Aus dem Kreis Esslingen kommt da kein prinzipieller Widerspruch, wohl aber ein großes Aber.

 

„Wir sind gerüstet. Aber um auf eine mögliche sprunghafte Zunahme der Flüchtlinge reagieren zu können, müsste man uns die Möglichkeit geben, wieder temporär auf die frühere 4,5-Quadratmeter-Regelung zurückgehen zu können“, sagt Peter Keck, der Sprecher der Esslinger Landkreisverwaltung. Derzeit gelten sieben Quadratmeter Wohnfläche als das Minimum an Platz, das einem Flüchtling zugestanden werden muss.

Unterkünfte zu 70 Prozent ausgelastet

Auf dieser Basis nimmt der Landkreis Esslingen Kecks Worten zufolge derzeit jeden Monat zwischen 30 und 40 neue Flüchtlinge auf. Damit sind die rund 1200 Plätze in den landkreiseigenen Gemeinschaftsunterkünften zu gut 70 Prozent ausgelastet. Rein rechnerisch wäre die Auslastung sogar noch geringer, denn immer noch befinden sich rund 113 „Fehlbeleger“ in Landkreis-Obhut. Das sind anerkannte Asylbewerber, die eigentlich schon längst in die Zuständigkeit der Städte und Gemeinde hätte wechseln müssen. Weil die aber angesichts des angespannten Wohnungsmarktes unter Druck stehen oder mit dem Bau von Anschlussunterbringungen im Verzug sind, stecken die Menschen nach wie vor in den Erstaufnahmeeinrichtungen fest. Die Fehlbeleger sind ein Grund, weshalb der Landkreis beim Abbau der Unterkünfte bisher hinter seinem selbst gesteckten Ziel zurückgeblieben ist. „Eigentlich war geplant, den Überhang aus Kostengründen noch weiter abzubauen. Wir streben langfristig eine Belegungsquote in den Gemeinschaftsunterkünften von 80 Prozent an“, sagt Keck.

Notfallvereinbarung mit vier Großen Kreisstädten

Auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms im Jahr 2016 waren im Kreisgebiet aus dem Stand heraus mehr als 6500 Unterbringungsplätze aus dem Boden gestampft worden. Dass der Landkreis trotz aller Bemühungen immer noch auf zu vielen Unterkünften sitzt, könnte ihm nun angesichts der risikobehafteten Lage an der griechisch-türkischen Grenze sogar zum Vorteil gereichen. „Die Entwicklung im Südosten Europas können wir nicht abschätzen. Aber wir sind in der Lage, sowohl die personellen, als auch die logistischen Ressourcen bei Bedarf wieder hochzufahren“, sagt Keck. Der Landkreissprecher verweist in diesem Zusammenhang auf Vereinbarungen mit den Städten Leinfelden-Echterdingen, Nürtingen, Ostfildern und Filderstadt. Dort könnten im Notfall bis zum Jahresende Container für rund 540 Personen aufgestellt werden.

Zudem stehen Kapazitäten im „Bergdorf“ von Hochdorf zur Verfügung. Der Landkreis hat erst kürzlich der Verlängerung des Betriebs zugestimmt, nachdem die bisher für fünf Jahre geltende Baugenehmigung abgelaufen war. In der Anlage vor den Toren der Gemeinde – vier zweigeschossige Holzmodulbauten für die Unterbringung sowie ein fünftes kleineres Verwaltungsgebäude – ist Platz für 240 Flüchtlinge. Derzeit sind dort nur 143 Betten belegt.

„Im Landratsamt selbst können wir unverzüglich in den Stabsmodus wechseln, falls uns ein starker Flüchtlingszustrom dazu zwingen würde“, sagt Keck. In diesem Fall würden all jene Zuständigkeiten gebündelt werden, die im Regelbetrieb auf verschiedene Ämter verteilt sind.