Bevor der Kreistag über eine Vertragsänderung zur Kapazitätsausweitung im Müllofen entscheidet, wird demonstriert – und das Müllkonzept kommt auf den Prüfstand.

Region: Corinna Meinke (com)

Kreis Göppingen - Im Kreis Göppingen wird seit Jahren deutlich mehr Müll produziert als anderswo. Vor allem beim Restmüll werfen die Kreisbewohner viel mehr in die Tonne und gleichzeitig wesentlich weniger in den Biobeutel als die Haushalte im Landesdurchschnitt. Höchste Zeit also, mit einem neuen Müllkonzept Anreize für die Müllvermeidung zu schaffen. Gleichzeitig ist der Unmut über die thermische Entsorgung im Göppinger Müllheizkraftwerk in der Bevölkerung nicht zu überhören, der sich in Unterschriftenaktionen und Resolutionen äußert. Auslöser ist der Antrag des privaten Betreibers des Müllofens, der Energy from Waste (EEW) mit Sitz in Helmstedt, die Verbrennungskapazität um rund 22 000 Tonnen auf jährlich 180 000 Tonnen zu steigern.

 

Auf welche Weise können die Bürger an dem neuen Müllkonzept mitwirken?

Der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises hat auf der Seite www.awb-gp.de einen Online-Fragebogen platziert, mit dem die Erfahrungen und Bedürfnisse der Kreisbewohner abgefragt werden sollen. Gefragt wird beispielsweise nach der Akzeptanz von zusätzlichen Mülltonnen für den Bioabfall und für Papier.

Welche Entsorgungsmöglichkeiten stehen zur Debatte?

Es geht um die Frage, ob feste Behälter einem Sack- oder Beutelsystem vorzuziehen sind. So könnten jeweils eigene Tonnen für Restmüll, Bioabfall, Papier und Wertstoffe angeboten werden. Der Abfallwirtschaftsbetrieb macht darauf aufmerksam, dass für zusätzliche Abfallbehälter ausreichende Stellflächen nötig sind. Und was auf den ersten Blick vorteilhaft und komfortabel erscheine, könne mehr Aufwand für den Einzelnen bedeuten, beispielsweise bei der Sauberhaltung des neuen Gefäßes.

Mit welchen Kosten müssen die Bürger rechnen?

Die künftige Gebührenstruktur steht noch nicht fest. Am 23. Oktober wird sich der Kreistagsausschuss damit näher beschäftigen. Unstrittig ist inzwischen immerhin, dass finanzielle Anreize geschaffen werden sollen, um die Müllvermeidung und Mülltrennung durch die Kreisbewohner zu steigern. Dafür sollen gestaffelte Gebühren sorgen. Zusätzlich ist geplant, die Jahresgebühr zu senken und die Gebühr für die jeweiligen Leerungen zu erhöhen. Bereits seit der letzten Gebührenumstellung im Januar 2018 können Bürger Geld sparen, wenn sie ihre Tonne nur noch alle vier statt alle zwei Wochen leeren lassen. Derzeit zahlt eine vierköpfige Familie für eine 120-Liter-Tonne, die alle vier Wochen geleert wird, 139,80 Euro. Im Landesdurchschnitt sind es 152 Euro.

Wie wirkt sich das auf die erfassten Mengen aus?

Wenn der Müll im Kreis Göppingen künftig mengenabhängig abgerechnet werde, schaffe das einen wesentlich höheren Anreiz für die Bürgerinnen und Bürger, erklärt Klaus Gellenbeck, den die Kreisverwaltung als Experten hinzugezogen hat. Er rechnet mit 20 bis 30 Prozent weniger Restmüll. Gellenbeck ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastrukturmanagement sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Münster und berät seit Jahren Bundes- und Landesregierungen in abfallwirtschaftlichen Fragen. Angestrebt wird nun ein System mit 60-, 120- und 240-Liter-Tonnen.

Wann wird das neue Müllkonzept umgesetzt?

Im Februar soll der Kreistag über ein neues Gesamtkonzept abstimmen, dafür wird die Ausschreibung anschließend vorbereitet. Den bisherigen Sammelvertrag mit der ETG hatte der Kreistagsausschuss im Juni nochmals verlängert. Er gilt bis Ende 2021. Die Verlängerungszeit soll genutzt werden, um die Abfuhrkonzeption in Verbindung mit einem zukunftweisenden Gebührensystem zu einem Konzept aus einem Guss zusammenzufügen.

Gegner machen mobil

Bevor der Kreistag über eine Vertragsänderung zur Kapazitätsänderung entscheidet, wird demonstriert.

Kreis Göppingen - Die Argumente sind bekannt, die Positionen zementiert. Und wenn die Vorzeichen nicht trügen, wird der Göppinger Kreistag an diesem Freitag auf Schloss Filseck einer Vertragsänderung mit der Energy from Waste (EEW), die das Müllheizkraftwerk betreibt, mehrheitlich zustimmen. Sollte es dazu kommen, darf die EEW künftig 180 000 Tonnen Abfall pro Jahr verbrennen anstatt wie bisher 157 680 Tonnen. Zudem wird beiderseits auf eine bisher vereinbarte Kündigungsmöglichkeit des Entsorgungsvertrags zum 31. Dezember 2025, die bis Ende 2021 genutzt werden müsste, verzichtet.

Eine solche Option, so sah es zumindest bisher aus, würde es dann erst wieder zum 31. Dezember 2030 geben. Allerdings liegt inzwischen ein modifizierter Entwurf der Kreisverwaltung auf dem Tisch, der vorsieht, eine neue Kündigungsmöglichkeit zum 30. Juni 2028 zu schaffen. Gekündigt werden müsste ebenfalls vier Jahre vorher. Wie die Kreisverwaltung erklärt, würde die Zeit bis dahin ausreichen, um die jüngst ins Gespräch gebrachte Rekommunalisierung, inklusive eines Betreiberwechsels zur Energieversorgung Filstal, auf Basis einer soliden Tatsachengrundlage zu treffen.

Die Kreisräte sollen namentlich abstimmen

Während die Tagesordnung vorsieht, dass der Kreistag über das Müllheizkraftwerk etwa von 17 Uhr an debattiert und beschließt – die Grünen haben bereits eine namentliche Abstimmung beantragt –, machen die Gegner am Freitag schon um 11.45 Uhr auf dem Göppinger Marktplatz mobil. Wohlgemerkt nach einigem Hickhack: Zunächst hätte es eine gemeinsame Kundgebung um 11.55 Uhr geben sollen, dann plötzlich eine der Stadtverwaltung um 11.45 Uhr und eben die, die der Stadt- und Kreisrat der Linken, Christian Stähle, für 11.55 Uhr angemeldet hatte. Nun hat man sich doch auf eine konzertierte Aktion verständigt, die um 11.45 Uhr beginnt.

Zur Teilnahme rufen neben Stähle und der Stadt Göppingen auch die Gemeinde Eschenbach auf sowie die Initiative von besorgten Bürgern, die fast 4700 Unterschriften gegen die Kapazitätsausweitung im Müllheizkraftwerk gesammelt hat. Zu Wort kommen werden der Oberbürgermeister Guido Till (CDU), Christian Stähle, Vertreter der Gemeinderatsfraktionen und der Arzt Andre Bönsch. Vor Ort sein wird aber auch die BI Müllkonzept Göppingen, die mit der Landkreisverwaltung schon seit Längerem über Kreuz liegt.