Der Arzt Michael Grebner ist von Anfang an dabei. Er will seinen Ruhestand dazu nutzen, das kreisweite Hilfs-Netzwerk noch feinmaschiger zu knüpfen.

Kreis Göppingen - Immer mehr Menschen leiden an Demenz. Das gilt auch für den Kreis Göppingen. „Wir gehen davon aus, dass momentan im Landkreis etwa 2500 Menschen daran erkrankt sind“, sagt Michael Grebner. Er war 34 Jahre lang der leitende Oberarzt der Gerontopsychiatrie im Göppinger Klinikum Christophsbad und ist Vater des kreisweiten Demenz-Netzwerks. Auch im Ruhestand lässt ihn dieses Thema nicht los. Ganz im Gegenteil. Da er nun mehr Zeit hat, will er das vorhandene Netz noch feinmaschiger knüpfen. Da es immer mehr alte Menschen gebe, werde das Thema Demenz in Zukunft weiter an gesellschaftlicher Brisanz gewinnen, davon ist er überzeugt. Denn das größte Risiko zu erkranken, sei das Alter.

 

Fünf Kommunen im Kreis Göppingen haben bereits kommunale Demenz-Netzwerke gegründet. Der Vorreiter war vor zehn Jahren Geislingen gewesen. Als Gründungspate initiierte Grebner damals zum Weltalzheimer-Tag eine Veranstaltungsreihe und ist als treibende Kraft dabei geblieben. Seither wurden Netzwerke in Göppingen, Eislingen, Ebersbach und Salach ins Leben gerufen, die zusammen mit dem Landkreis jährlich zum Weltalzheimer-Tag ein vielfältiges Programm auf die Beine stellen. Grebners neuestes Projekt ist es, einen Schulterschluss mit dem Palliativzentrum in Geislingen hinzukriegen und weitere Kommunen zu gewinnen. Gerade auch kleinere Gemeinden könnten von bestehenden Netzwerken profitieren.

Alles Neue macht Angst

Das Ziel der Netzwerker ist es, alle ins Boot zu holen, die mit alten Menschen zu tun haben, von den Pflegeheimen und ambulanten Hilfen über die Kommunalverwaltungen und Kirchen bis hin zu den Bildungseinrichtungen. Nur so könne eine optimale Betreuung in der gewohnten Umgebung sicher gestellt werden. Und genau darum gehe es. „Demenz ist eine Erkrankung des Gedächtnisses, alles Neue macht Angst, umso wichtiger ist es, dass diese Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können“, erklärt Grebner. Ganz abgesehen davon entlaste es auch die öffentlichen Kassen, wenn auf diese Weise Krankenhausaufenthalte vermieden werden könnten.

Den ehrenamtlichen Helfern kommt in den Netzwerken eine wichtige Rolle zu. Deshalb sei es ein großes Anliegen, diese zu unterstützen, durch Schulungen etwa. Bei Kursen, die regelmäßig angeboten würden, gebe es nicht nur Informationen über die Krankheit als solche und Hinweise, wie man mit diesen Menschen umgehe, sondern auch Antworten auf rechtliche Fragen. „Wenn man einen Kranken im Auto befördert und es passiert was, dann ist man ganz schnell dran, wenn man nicht vorgesorgt hat“, sagt Grebner.

Damit nicht jedes kommunale Netzwerk das Rad neu erfinden muss, hält der Mediziner eine kreisweite Vernetzung für sinnvoll. Im Landratsamt liefen die Fäden bei der Altenhilfefachberatung zusammen. Auch in den Gemeinden müsse jemand da sein, der alles koordiniere. In Göppingen gebe es mehrere Teilzeitbeschäftigte. Außerdem propagiert Grebner das Abspicken. „Jeder soll in den Topf reingucken dürfen.“ Göppingen etwa habe große Erfahrung mit sogenannten Demenzpaten. „Davon können andere lernen.“ Auch auf bereits vorhandene Flyer und Broschüren könnten die neu gegründeten Netzwerke jederzeit zugreifen.

Schulungen für den Einzelhandel

Die Arbeit der Ehrenamtlichen könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, so Grebner. Sie nutze nicht nur den Kranken, sondern auch deren Angehörigen, die durch die Pflege eines Demenzpatienten häufig völlig überfordert seien. „Das ist ein 24-Stunden-Job.“ Selbst wer ambulante Hilfen in Anspruch nehme, müsse die Hauptlast schultern. Da sei es eine Entlastung, wenn es im Ort Angebote für die Kranken gebe – und Ehrenamtliche, die sie dorthin begleiteten. Das Spektrum an Veranstaltungen sei mittlerweile groß und von Ort zu Ort verschieden. Es gebe Tanznachmittage, Wanderungen, Gedächtnistraining, Malstunden oder Kooperationen mit Kindergärten.

Auch nach außen wollen die Netzwerke wirken. So hat Grebner in Göppingen zwei Schulungen für den Einzelhandel gemacht. Nicht immer versuche jemand zu betrügen, wenn er nicht bezahle, sagt er. „Manche Demenzkranke vergessen das einfach, und wenn sie ein Ladenverbot kriegen, kommen sie trotzdem immer wieder.“ Im Blick hat er auch die Seelsorger. Sie könnten, wie es mancherorts schon getan werde, spezielle Gottesdienste für die Kranken anbieten. „Die müssen dann kürzer sein und einfacher in der Sprache.“