Die Wirtschaft lahmt auch im Kreis Göppingen, das steht für die Experten außer Frage. Etliche Unternehmen setzen allerdings nicht auf Entlassungen, sondern auf Instrumente, die sich bereits während der Finanzkrise bewährt haben.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Göppingen - Die einen sprechen von einer Delle, die anderen bereits von einer Krise. Und so unterschiedlich die Einschätzungen zur konjunkturellen Entwicklung sind, so unterschiedlich fallen die Maßnahmen aus, mit denen Unternehmen und Betriebe dem Abschwung begegnen. Während manche Firmen gleich komplette Abteilungen schließen und Personal reduzieren, versuchen andere die in den Hochzeiten mühsam gewonnen Fachkräfte weiter zu beschäftigen.

 

Auch im Kreis Göppingen gibt es Beispiele für das eine wie für das andere Vorgehen. Während Allgaier, Schuler, WMF und einige anderen Firmen Stellen streichen, setzen andere – zunächst einmal und in erster Linie – auf das Instrument Kurzarbeit. Ob beim großen Maschinenbauer, beim mittelständischen Automobilzulieferer oder beim kleinen Werkzeugmacher: Viele Beschäftigte im Stauferkreis werden 2020 mehr Freizeit haben, als so manchem lieb sein mag. Zwar weiß niemand, wohin die Reise geht. Einer Sache ist sich Thekla Schlör, die Leiterin der Arbeitsagentur Göppingen aber sicher: „Es wird kein ‚Es geht so weiter‘ geben.“

Aus Thekla Schlörs Sicht droht keine Massenarbeitslosigkeit

Gleichzeitig warnt sie davor, in Panik auszubrechen: Es stehe außer Frage, dass viele Unternehmen vor gravierenden Änderungen stünden. „In der öffentlichen Diskussion wird aber nur das sorgenvolle Gesicht der wirtschaftlichen Entwicklung wahrgenommen.“ Man müsse allerdings auch die andere Seite betrachten. „Wir haben in unserem Agenturbezirk momentan 32 000 Arbeitsplätze mehr als vor fünf Jahren, ganz zu schweigen davon, wie es direkt nach der Finanzkrise aussah.“ Aus Schlörs Sicht jedenfalls droht in nächster Zeit keine Massenarbeitslosigkeit.

Ebenso wie Alexander Müller, der zuständige Teamleiter bei der Göppinger Arbeitsagentur, wirbt auch seine Chefin dafür, die vorhandenen Instrumente, wie etwa das frühzeitige Anmelden von Kurzarbeit oder die Möglichkeiten der Weiterqualifizierung, zu nutzen. „Was den zweiten Punkt angeht, ist die Situation aber manchmal schwierig, weil etliche Betriebe noch keinen Plan haben, was sie in Zukunft überhaupt brauchen“, räumt Schlör ein. Dass der Appell dennoch auf fruchtbaren Boden fällt, belegt Alexander Müller mit einem Blick auf die Zahlen.

Kurzarbeit kann, je nach betrieblicher Erfordernis, flexibel geregelt werden

So hatten im Agenturbezirk bis Ende November bereits 409 Unternehmen für 6627 Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt. „Das sind zwar viermal so viele als noch zu Jahresbeginn, aber sechsmal weniger als 2009“, sagt Müller. Zudem sei von den Anmeldungen bis jetzt noch nicht mal ein Zehntel umgesetzt worden, ergänzt er. Für Thekla Schlör beweisen die Verantwortlichen die notwendige Vorsicht, „indem sie konjunkturelle Kurzarbeit beantragen, nachdem sie die Arbeitszeitkonten heruntergefahren haben“. Ob und wie sie die Kurzarbeit dann umsetzen, sei wiederum eine andere Frage und könne je nach betrieblicher Erfordernis sehr flexibel geregelt werden, fügt sie hinzu.

Gute Erfahrungen mit dem besagten Instrument der Arbeitsplatzsicherung hat man bei einem Göppinger Flach- und Profilschleifmaschinenhersteller schon in der Vergangenheit gemacht. Dessen Inhaber und Geschäftsführer, der in der Zeitung nicht namentlich genannt werden möchte, ist jedenfalls zuversichtlich: „Es gibt eben diese Zyklen, worauf wir uns eingestellt und mehrere Standbeine aufgebaut haben.“ Bis zu den Sommerferien sei in seinem Hause noch alles rund gelaufen. „Danach war es, als hätte jemand den Stecker gezogen, erklärt der Firmenchef, so dass ein Antrag auf Kurzarbeit gestellt worden sei. „Das läuft zumindest in Göppingen völlig unkompliziert“, fährt er fort.

Dass er an seinen 20 Beschäftigten festhalten werde, steht für ihn außer Frage. „Wir haben 25 Jahre lang Fachleute und ausgewiesene Spezialisten an uns gebunden. Da wäre es doch völlig bescheuert, diese Leute jetzt zu entlassen.“

Deutliche Unterschiede in den Landkreisen Esslingen und Göppingen

Das Zuständigkeitsgebiet der Arbeitsagentur Göppingen erstreckt sich auf die Landkreise Göppingen und Esslingen. Immer wieder zeigen sich dabei unterschiedliche Trends. So liegen etwa die Arbeitslosenquoten in Göppingen meist ein wenig höher. Signifikante Differenzen gibt es aber auch bei der Entwicklung des Arbeitsmarkts insgesamt, wobei für die Agenturchefin Thekla Schlör der Stauferkreis eine Art „Marker-Funktion“ hat. „Gerade bei einem wirtschaftlichen Abschwung treten die entsprechenden Anzeichen in in Göppingen meist einige Monate früher auf als in Esslingen“, sagt sie.

So ist beispielsweise die Gesamtbeschäftigtenzahl im Raum Göppingen bereits im Frühling – erstmals nach zehn Jahren – wieder zurückgegangen, während Esslingen immer noch zulegen konnte. Besonders deutlich wird dieser Unterscheid bei einem Blick auf die Metall- und Elektroindustrie sowie auf das verarbeitende Gewerbe. Im Kreis Göppingen fielen in beiden Segmenten bereits jeweils 1300 feste Stellen weg. Im Kreis Esslingen hingegen gab es in den gleichen Branchen insgesamt knapp 1000 Arbeitsplätze mehr. „Die Zahlen sprechen dafür, dass die Betriebe dort breiter aufgestellt sind, deshalb dauert es länger, bevor der Markt reagiert“, nennt Schlör den Grund für die verschiedenen Tendenzen.

Auch für Fachkräfte gibt es keine „Jobgarantie“ mehr

Einen Beleg für Schlörs Aussage, dass Göppingen als „Marker“ zu betrachten sei, zeigte sich dann bis November. Auch im Raum Esslingen meldeten sich auf einmal signifikant mehr Menschen arbeitslos, die im industriell-verarbeitenden Gewerbe tätig waren. Hinzu kam eine deutliche höhere Zahl an Zeitarbeitern, die keinen Job mehr fanden. Diese Entwicklung hatte Göppingen ebenfalls vorweggenommen.

Über viele Jahre hinweg waren die Faktoren „Fachkraft“ und „jünger“ gewissermaßen eine Art Beschäftigungsgarantie. Das hat sich bei einem Blick in die Statistik inzwischen ebenfalls geändert. Inzwischen werden auch 15- bis 50-Jährige zunehmend arbeitslos, gleiches gilt für ausgebildete Facharbeiter und Experten, wobei sich Göppingen und Esslingen hier eher im Gleichschritt bewegen. Für Thekla Schlör spricht dies allerdings nicht gegen den hohen Stellenwert von Qualifikationen an sich, sondern für „die Notwendigkeit sich permanent weiter zu qualifizieren“.