Bad Säckingen - Eine weiße Burg aus Beton und Stahl. Acht Stockwerke hoch thront die Hochrhein-Eggberg-Klinik zwischen dem Kreiskrankenhaus und dem Aqualon, dem früheren Kurmittelhaus am Rande von Bad Säckingen. Dahinter beginnt schon der Wald, und mittendrin ruht ein See. Ein perfektes Naherholungsidyll, wäre der Status als Luftkurort nicht bedroht, weil in diese Waldeinsamkeit ein Pumpspeicherkraftwerk mit Deutschlands höchster Staumauer und dazu eine Autobahn gestampft werden sollen.

 

Auch die schmucke Klinik, die einst eine Perle war und zu den Besten ihrer Art zählte, hat schon bessere Tage gesehen. Immer neue Gesundheitsreformen und Sparauflagen der Kassen und Rentenversicherungsträger haben das Rehakrankenhaus zermürbt, die Bilanzen erodieren und es zur leichten Beute für die Großwildjäger im Gesundheitsrevier werden lassen.

Erst suchte man Partner. Besser wurde es nicht. Dann wurde es zusammen mit einem anderen Rehakrankenhaus verkauft. Für viel Geld, mehr als 20 Millionen Euro. Lange sollte das niemand wissen. Erst jetzt bringen Recherchen der StZ Licht ins Dunkel. Es ist Geld, das nicht die Käufer, sondern die Eigentümer der Klinik aufbringen mussten. Die Eigentümer sind mehrere Städte, somit zahlt die Zeche der Bürger – als Patient und als Steuerzahler. Wie konnte es so weit kommen?

Die Hochrheinklinik ist bundesweit anerkannt

Die Hochrheinklinik in Bad Säckingen ist zu ihrer Glanzzeit in den 90er Jahren die größte Schwerpunktklinik für Gefäßerkrankungen und Diabetologie in ganz Deutschland und weithin anerkannt. Ihre Spezialität ist die Verbindung von Akutbehandlungen und anschließender Reha, alles unter einem Dach. Die auf Lymphdrüsenerkrankungen spezialisierte Eggbergklinik hat sich aus der Hochrheinklinik heraus entwickelt. Die Rehaklinik Sankt Marien in Bad Bellingen widmet sich der orthopädischen Rehabilitation und gehört der Erzdiözese Freiburg. Alle drei Rehakliniken sind defizitär.

Als sie zu Beginn des neuen Jahrtausends erstmals stark in Bedrängnis geraten, kommt der Retter in Gestalt des Klinikverbunds aus Singen/Hohentwiel. Der damalige Singener Oberbürgermeister und spätere baden-württembergische Sozialminister Andreas Renner (CDU) will die Einrichtungen integrieren, um den Patienten nach der Akutbehandlung in einer seiner Krankenhäuser in Singen, Engen oder Radolfzell gleich eine Reha anbieten zu können. 2003 tritt die Hochrheinklinik dem Verbund bei, der sich nun Hegau-Bodensee-Hochrhein (HBH) nennt, 2005 folgt Sankt Marien und ein Jahr später die Eggbergklinik. Die HBH ist jetzt ein Konzern mit 2750 Mitarbeitern und 1518 Betten.

Die Reha-Kliniken treiben die HBH ins Minus

Doch die Manager versäumen nötige Veränderungen. Es gibt kein Controlling, keine Vermarktungsstrategie. Bald belasten die maroden Kliniken die HBH-Bilanz. 2007 schreibt der Konzern einen Rekordverlust von rund 11,5 Millionen Euro. Die Hochrhein- und die Eggbergklinik müssen fusionieren, 45 von 150 Mitarbeitern gehen. Die Verluste bleiben. Im Jahr darauf schon macht die Hochrhein-Eggberg-Klinik ein Minus von 8,2 Millionen Euro.

Ende 2009 ist die HBH durch die Rehakliniken praktisch pleite. Die Wirtschaftsprüfer verweigern das Testat. Die Insolvenz droht. 21 Millionen Euro Schulden drücken den Verbund. Nur die Stundung von Darlehen und das Versprechen gegenüber dem Regierungspräsidium, sich starke Partner zu suchen, lassen den Zusammenschluss am Leben. Singen als Mehrheitsgesellschafter ist stark betroffen. Die 45 000 Einwohner große Stadt unterm Hohentwiel hat da ohnehin bereits 180 Millionen Euro Schulden.

OB Ehret will die Verlustbringer loswerden

Es ist Mittwoch, der 23. Februar 2011, ein kalter, verschneiter Tag, als im Rathaus von Singen gegen elf Uhr ein halbes Dutzend gewichtiger Männer eine Pressekonferenz geben, die ein Befreiungsschlag aus der Krise werden soll. „Das Kapitel Westen ist beendet“, verkündet der Singener Oberbürgermeister Oliver Ehret (CDU). Im Westen liegen die maroden Kliniken. Die wollte Ehret, der auch HBH-Aufsichtsratschef ist, loswerden.

Im Konferenzzimmer sitzen an jenem Februarmorgen auch zwei Manager der Unternehmensberatung Kienbaum. Sie lotsen die HBH seit Anbeginn durch die Krise, haben teilweise als Interimsgeschäftsführer agiert. Ohne seine Berater wäre die Rettung nicht geglückt, kann OB Ehret nicht oft genug betonen. Was Kennern schon länger auffällt, erwähnt er nicht. Dass die Kienbaum-Männer nicht nur sehr viel Kompetenz angesammelt, sondern auch viel Macht über den Gesundheitskonzern gewonnen haben. Mit ihnen ist der neue HBH-Geschäftsführer Peter Fischer gekommen, den die Kienbaum-Männer natürlich mit ausgesucht haben.

In der Mitte des Konferenztisches überragt eine 1,97 Meter große Erscheinung alle anderen. Der Mann hat den imposanten Namen Peter Paul Gardosch von Krosigk. Er ist Mediziner und Unternehmensberater. Nach dem Studium war er Militärarzt, und noch heute gibt er sich preußisch zackig, schreibt seinen Ärzten und Pflegern bis ins Detail vor, welche Kleider oder Accessoires sie zu tragen haben und gibt in seiner Klinik gerne den „Edelhausmeister“, wie er sagt. Der Mann mit dem angeheirateten Namen aus dem sächsischen Uradel derer von Krosigk war schon bei Pharma- und Gesundheitskonzernen – in der klinischen Forschung und als Geschäftsführer tätig. Bei Roland Berger war er Unternehmensberater. Er tauchte 2008 für gut ein Jahr im Vorstand der Marseille-Kliniken auf, wo er Akutkliniken aufkaufen und betreiben sollte. Das gelang dem „No Name“ (Manager-Magazin) aber nicht. Gardosch musste gehen. Zweimal wurde er nicht entlastet, auch weil der Klinikgründer Ulrich Marseille dies verhinderte.

Traumkonditionen für die Deutsche Kliniken Holding

„Steil und kurvenreich“ sei seine Laufbahn verlaufen, urteilt die „Welt am Sonntag“ über die Karriere des Peter Paul Gardosch. Auf alle Fälle ist der 54-Jährige sehr umtriebig. Mal dies, mal das. Auf so einen wird offenbar irgendwann auch das Fernsehen aufmerksam. In der Dokusoap „Reality Affairs“ auf Pro Sieben mimte er den Problemlöser. Bei „Schluss mit Hotel Mama“ auf Kabel 1 brachte er als „Persönlichkeitstrainer“ notorische Stubenhocker auf Trab. „Dr. Peter Gardosch besitzt die Ausstrahlung, Kompetenz und Glaubwürdigkeit, die eine Fernsehpersönlichkeit braucht“, begründet der TV-Sender seine Wahl.

An jenem Februarmorgen 2011 im Singener Rathaus erfährt die Öffentlichkeit, dass Gardosch von Krosigk nun die Hochrhein-Eggberg-Klinik und die Klinik Sankt Marien erworben hat. Käufer ist die Deutsche Kliniken-Holding, die Gardosch erst ein gutes Jahr zuvor zusammen mit Fred Vock, einem auf Klinikführung spezialisierten Betriebswirt, gegründet hat.

Wobei „Käufer“ in diesem Fall ein relativer Begriff ist. Zumindest, wenn man damit verbindet, dass ein Käufer das bezahlt, was eine Sache wert ist – oder überhaupt etwas bezahlt. Die Rehaklinik Sankt Marien mit 154 Betten und knapp 80 Mitarbeitern und die Hochrhein-Eggberg-Klinik mit fast 200 Betten und mehr als hundert Mitarbeitern sind die ersten Akquisitionen, die der Deutschen Kliniken Holding glücken. Und es blieben bislang die einzigen, auch wenn in Präsentationen von „64 Transaktionen“ parliert wird, die „im Fokus“ stünden.

Nur bei der Klinik St. Marien zahlen die Manager

„Wir haben das bestmögliche Ergebnis erzielt“, lobt der HBH-Geschäftsführer Fischer den Deal. Über Einzelheiten wird Stillschweigen vereinbart. StZ-Recherchen zeigen, dass die Holding von Vock und Gardosch überaus vorteilhafte Bedingungen mit Kienbaum, Ehret & Co. aushandeln konnten. Insider sprechen von „Traumkonditionen“ für die weithin unbekannten Klinikbetreiber. Beide Häuser werden dem Branchenneuling für einen Euro überlassen. Zur Garnierung gibt es reichlich Finanzmittel obendrauf. Für die Hochrhein-Eggberg-Klinik unter anderem eine Garantie über fünf Millionen Euro Eigenkapital und Liquidität von zwei Millionen Euro.

Dazu kommen 1,3 Millionen Euro Investitionszuschüsse. Den Verlust im Geschäftsjahr 2011, dessen Höhe noch immer nicht benannt ist, kann die Holding ebenfalls zu Lasten des HBH-Verbundes verbuchen lassen. Für Kündigungen von Mitarbeitern bei einer Servicegesellschaft stehen noch mal mindestens 450 000 Euro bereit. Damit nicht genug, steht der HBH-Verbund auch noch für Darlehen und Schuldscheine in Höhe von 13,7 Millionen Euro gerade. Von der StZ mit den Zahlen konfrontiert, bezeichnet sie Gardosch von Krosigk als „Unsinn (...), der jeder Grundlage entbehrt“.

Bei der Rehaklinik Sankt Marien müssen die beiden Manager selbst in die Tasche greifen und 2,5 Millionen Euro berappen, um die GmbH von Hypotheken zu entlasten. 3,6 Millionen Euro Verbindlichkeiten übernimmt hier wiederum die HBH. Noch einmal 300 000 Euro muss der Verbund aufbringen und 80 000 Euro das Veronikawerk, der kirchliche Trägerverein. Dafür zeigen sich die Banken kulant und verzichten auf 30 Prozent der Forderungen.

Warum wurde die DKH bevorzugt?

Warum gibt sich die HBH derart spendabel? Aus Verhandlungskreisen heißt es, allein Gardoschs Holding habe Interesse an den beiden maroden Kliniken gezeigt. Doch zumindest bei der Hochrhein-Eggberg-Klinik hatte es mit dem Sankt-Vincentius-Verein Bad Säckingen durchaus einen ernsten Interessenten vor Ort gegeben. Den aber hatten die Kienbaum-Leute noch vor Beginn des Bieterprozesses mit viel zu hohen Forderungen abgeschreckt. Nach einem Gesprächsprotokoll vom 4. Mai 2010 verlangten die HBH-Manager die Übernahme von vier Millionen Euro Verbindlichkeiten samt der Belastungen aus den Pensionskassen. Schuldenfrei, so die Botschaft, gehe der Übergang leider nicht. Der Verein lehnte ab und war aus dem Rennen.

Von den Traumkonditionen für die Deutsche Kliniken Holding erfuhren die an der HBH beteiligten Stadt Bad Säckingen, der örtliche Tourismusverband und der Vincentius-Verein erst, als sie den Kaufvertrag unterzeichnen sollten. Warum die Berater während des Verfahrens mit den verbesserten Bedingungen nicht mehr auf den Vincentius-Verein zukamen, ist rätselhaft. „Wir hätten auch zu weniger guten Bedingungen Ja gesagt“, sagt Eberhard Wolf, Geschäftsführer des Vereins, als ihn die StZ mit dem Sachverhalt konfrontiert.

Oder sollte die Konkurrenz bewusst außen vor bleiben und Gardoschs Holding bevorzugt werden? Manche Insider glauben das. Die Beteiligten schweigen dazu eisern. OB Ehret, der alles tat, um die Verlustbringer im HBH-Verbund loszuwerden, verweist als Aufsichtsratschef auf seine Verschwiegenheitspflicht. Kienbaum bittet um „Verständnis“, dass man zu laufenden Projekten und vertraulichen Vorgängen keine Stellung beziehe. Es bleibt somit ungeklärt, warum ein finanziell angeschlagener Klinikverbund einen Novizen im Gesundheitswesen mit weit mehr als 20 Millionen Euro subventioniert. Man hätte das Ganze wohl auch weit billiger haben können. Wenn man nur gewollt hätte.