Die Polizei ermittelt gegen den kürzlich entlassenen Geschäftsführer des Roten Kreuzes im Kreis Ludwigsburg. Der Mann soll Zahlen gefälscht haben, um an höhere Zuschüsse zu gelangen.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Krise im Ludwigsburger Kreisverband des Roten Kreuzes (DRK) eskaliert. Völlig unerwartet hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Verbands eingeleitet – wegen Betrugsverdachts. Der Hintergrund ist, dass der DRK-Verband zwischen 2008 und 2011 Abrechnungen manipuliert haben soll, um an höhere Zuschüsse aus dem Ludwigsburger Landratsamts zu gelangen. Konkret geht es um fehlerhafte Zahlen im Bereich der Behindertenbeförderung: Der Geschäftsführer soll zehnmal mehr Transporte gemeldet haben, als von den Mitarbeitern des Roten Kreuzes tatsächlich durchgeführt worden sind.

 

Abrechnungen sollen manipuliert worden sein

„So, wie es sich für uns darstellt, sind die Abrechnungen wissentlich manipuliert worden“, sagt Utz Remlinger. Der Vize-landrat hat im vergangenen November den Vorsitz des finanziell angeschlagenen Kreisverbands übernommen, um ihn umzustrukturieren. Jetzt steht Remlinger zudem vor der Aufgabe, einen Skandal aufarbeiten zu müssen. „Wir werden nichts unter den Teppich kehren“, versichert er. Die Bücher des Roten Kreuzes werden derzeit von Wirtschaftsprüfern durchleuchtet. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass auch in anderen Bereichen, in denen der Kreis mit dem DRK zusammenarbeitet, Zahlen frisiert worden seien. „Aber es ist zu früh, das auszuschließen“, sagt Remlinger. „Wir können nicht einschätzen, ob noch mehr ans Licht kommt.“

Rainer Haas will zu den Vorgängen keine Stellung nehmen, aber der Landrat hat unlängst im nichtöffentlichen Teil einer Ausschusssitzung die Kreisräte informiert. „Es sind eigentlich alle geschockt“, berichtet ein Teilnehmer der Sitzung.

Der Geschäftsführer war kürzlich überraschend gefeuert worden

Der beschuldigte Geschäftsführer war gestern nicht bereit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Er ist im vergangenen Februar entlassen worden – und zwar durchaus überraschend, obwohl der Kreisverband wegen zahlreicher Querelen und finanzieller Probleme massiv in der Kritik stand. Aber erst heute wird klar, dass es nicht die roten, sondern die mutmaßlich gefälschten Zahlen waren, die zu der Kündigung führten. Hinweise, der Beschuldigte habe sich persönlich bereichert, gebe es allerdings nicht, betont Remlinger. Dennoch entschloss sich die neue DRK-Führung kürzlich zu einer Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe inzwischen geprüft und sieht einen Anfangsverdacht. Ob es zu einer Anklage kommt, muss das Ermittlungsverfahren zeigen.

25 Jahre lang hat das Rote Kreuz den kostenlosen Fahrdienst für Behinderte angeboten – in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt. Ende 2011 stieg das DRK aus – mit dem Argument, das Angebot sei zu kostspielig geworden und trotz der Zuschüsse nicht mehr leistbar. Zwar fand der Kreis neue Partner, aber der Ausstieg des Roten Kreuzes machte Wirbel. Dies wiederum führte dazu, dass sich mehrere Kreisräte und das Landratsamt die alten Abrechnungen noch einmal genauer anschauten. „Nach und nach wurde immer deutlicher, dass hier ein Straftatbestand vorliegen könnte“, sagt Remlinger. Der DRK-Behindertenfahrdienst wurde vom Landkreis zuletzt mit rund 80 000 Euro pro Jahr bezuschusst. Weil offenbar zumindest von 2008 bis 2011 viel weniger Behinderte transportiert wurden als angegeben, fordert der Kreis vom Roten Kreuz nun 112 000 Euro zurück.

Der Landkreis fordert 112 000 Euro vom Roten Kreuz zurück

Remlingers Vorgänger Michael Vögele betont, er habe von den Unregelmäßigkeiten, so es sie den gegeben habe, nichts gewusst. „Als Ehrenamtlicher ist es unmöglich, solche Abrechnungen in dieser Tiefe zu überprüfen“, sagt Vögele, der bis November 2011 Vorsitzender des Verbands war. „So etwas muss ein Hauptamtlicher machen.“ Folgerichtig sei dies eine „reine Geschäftsführeraufgabe“ gewesen. „Ich habe auch keine dieser Abrechnungen unterschrieben.“ Zumal das Landratsamt die Zahlen und Zuschüsse ja regelmäßig geprüft habe. „Ich habe nie gehört, dass da etwas nicht stimmen soll. Und wie hätte mir das auffallen sollen, wenn nicht einmal die etwas gemerkt haben.“