Der Landrat hält seine Etatrede. Er nutzt sie zum Appell für den Klimaschutz genauso wie zur Mahnung an die Ideologen unter den Umweltschützern.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - In Haushaltsreden hebt der Böblinger Landrat Roland Bernhard gern den mahnenden Zeigefinger nicht nur tatsächlich, auch sinnbildlich nach oben, in Richtung höherer politischer Instanzen. Ein schlichtes Beispiel ist der lang gewünschte „Wohnungskümmerer“, ein zusätzlicher Angestellter, der helfen soll, die Wohnungsnot zu lindern. Bis heute fehlt vom Landeswirtschaftsministerium die einfache Zusage, dass diese Stelle bezuschusst werden könnte – nicht die tatsächliche Zuschusszusage.

 

An anderer Stelle kosten Entscheidungen höchster politischer Stelle auf der Landkreisebene reichlich Geld. Die Kliniken im Kreis fahren aktuell ein Minus von mehr als 18 Millionen Euro jährlich ein, mit stetig steigender Tendenz. 2016 lag der Fehlbetrag noch sechs Millionen niedriger. „Das ist eine gefährliche Entwicklung“, sagte Bernhard. Das Ziel war und bleibt die Schwarze Null. Aber „das Schwergewicht dafür liegt in Berlin“, meint der Landrat. Die Bundespolitik in Einheit mit den Krankenkassen beschließe stetig teure Neuerungen, durchaus im Sinne der Patienten zwar, aber letztlich eben zu Lasten kommunaler Kassen. Das Abrechnungssystem im Krankenhauswesen sei selbst krank, meint der Landrat.

„Daimler-Entwicklung kann uns nicht unberührt lassen“

Bisher stemmt der Kreis Böblingen solche Lasten noch ohne Anstrengung. Die Steuerkraft ist vom Rekordjahr 2018 nochmals gestiegen und soll – unvorhersehbare Einbrüche ausgenommen – im Jahr 2020 erneut um sechs Prozent steigen, auf mehr als 680 Millionen Euro. „In der Steuerkraftliga stehen wir auf dem dritten Platz“, sagte denn auch Bernhard. Gleichzeitig sind die Schulden im aktuellen Jahr auf ein historisches Tief gefallen. Zudem können die Verwalter öffentlicher Kassen nahezu zinsfreie Kreditverträge abschließen. Dass die Jahre des Wirtschaftsbooms ihrem Ende entgegengehen, sei aber unübersehbar, nicht zuletzt in der Automobilbranche. „Die Entwicklung bei Daimler kann uns nicht unberührt lassen“, sagte Bernhard.

Im nächsten Jahr plant der Landkreis, mehr als 471 Millionen Euro für seine Aufgaben auszugeben. Mit knapp 250 Millionen Euro bleibt das Soziale der mit Abstand größte Posten. Vom Sammeletat „Sonstiges“ abgesehen, stehen Kosten für Busse und Bahnen mit 45 Millionen Euro auf dem zweiten Platz. Auch dieser Etat wächst stetig. Innerhalb von fünf Jahren hat er sich ziemlich genau verdoppelt. Allein der Busverkehr bedient in diesem Jahr 14 Prozent mehr Strecken als noch 2018. Die Investitionen in den Ausbau und Erhalt von Straßen sind weniger als halb so hoch wie der Etat für den öffentlichen Personennahverkehr. Allerdings ist die selbst auferlegte Aufgabenliste für Sanierungen und Ausbauten zu mehr als 90 Prozent abgearbeitet. Künftig sollen daher die Anstrengungen zum Ausbau eines Schnellradwege-Netzes verstärkt werden.

„Wir tun schon viel, aber es ist nicht genug“

Ohnehin hat der Landrat einen Großteil seiner Etatrede dem Umweltschutz gewidmet. Er empfiehlt den Kreispolitikern, wie die Bundesregierung konkrete Ziele zur Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes bis zur Nullmarke zu beschließen. Bernhard wünscht sich den Beschluss, dass der Kreis bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein möge. „Das ist für einen Industrielandkreis ein ehrgeiziges Ziel, aber machbar“, sagte der Landrat, „wir tun schon viel, aber es ist nicht genug.“

Der mahnende Zeigefinger hebt sich erneut, diesmal nicht nur in Richtung höherer Regierungsinstanzen. Einseitige Argumente „kann ich nicht mehr hören und lade zur ideologiefreien Diskussion ein“, sagte Bernhard, „wir dürfen die Automobilbranche nicht verteufeln, und wir brauchen auch die Straßen.“