Auch im Kultusministerium lagern noch Akten zu Winfried Kretschmann, der einst wegen seines politischen Engagements nicht Lehrer werden sollte. Der Regierungschef wusste selbst nichts davon und hat nun Einsicht beantragt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die im Landesarchiv verwahrten Akten zur Vergangenheit von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind offenbar unvollständig. Auch im Kultusministerium ist noch eine Personalakte zum ehemaligen Lehrer Kretschmann vorhanden. Dies bestätigte ein Sprecher des Ressorts auf StZ-Anfrage. Ein Vermerk auf den Akten im Landesarchiv („KM“) hatte darauf hingedeutet, dass auch dort noch Unterlagen verwahrt sein könnten. Die Voraussetzungen für eine Übergabe der Unterlagen an das Landesarchiv seien „noch nicht erfüllt“, sagte der Sprecher weiter, ohne dies näher zu begründen. Zum Inhalt könne man prinzipiell keine Auskunft geben. Die Personalakten seien aber „nicht unter dem Merkmal Radikalenerlass“ abgelegt. Deswegen lasse sich auch nicht sagen, wie viele Unterlagen anderer einst von Berufsverboten betroffener oder bedrohter Lehrer noch im Haus vorhanden seien.

 

Von der Existenz der Personalakte wusste offenbar nicht einmal Kretschmann selbst. Die Akte sei ihm „nicht bekannt“, ließ er einen Sprecher ausrichten. Er werde nun ein Gesuch auf Akteneinsicht stellen und könne sich erst danach zum Inhalt äußern. Auf Bitten der Stuttgarter Zeitung hatte der Ministerpräsident die Einwilligung erteilt, die Akten im Landesarchiv vor Ablauf der üblichen Sperrfristen einsehen zu dürfen. Sie dokumentieren, wegen welcher Vorwürfe ihm die Zulassung zum Referendariat und zum Schuldienst zunächst verweigert worden war und wie er sich dagegen wehrte. Hintergrund war sein Engagement in kommunistischen Hochschulgruppen.

Wie wurden die Zweifel ausgeräumt?

Die Akten im Kultusministerium könnten erklären, wie es Kretschmann nach einem Intermezzo an einer privaten Kosmetikschule gelang, doch noch in den Staatsdienst übernommen zu werden. In einem Schreiben des Oberschulamts heißt es dazu: „Durch die Stellungnahme von Herrn Kretschmann wurden die Zweifel an seiner Verfassungstreue ausgeräumt.“ Die Stellungnahme aus dem Jahr 1977, auf die damit Bezug genommen wird, befindet sich offenbar nicht in den Akten des Landesarchivs – vielleicht aber im Kultusministerium. Im Archiv existiert nur ein dreiseitiges Schreiben aus dem Jahr 1975, mit dem Kretschmann zu seiner vorläufigen Nichtzulassung als Referendar Stellung nahm.