Das Multinationale Kommando Operative Führung in Ulm erhält eine besondere Bedeutung für die Nato. Die Militärallianz plant dort ein neues Hauptquartier, das die Verlegung von schwerem Militärgerät nach Osteuropa sicherstellen soll.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Ulm - Es sind Szenen, wie man sie aus der Zeit des Kalten Kriegs kennt und seither völlig verdrängt hat: Schwere militärische Konvois werden über deutsche Straßen in Richtung Osteuropa verlegt – eine ganze Brigade führen die US-Amerikaner derzeit in das Baltikum. Der Schwerlastverkehr dürfte wegen der Spannungen mit Russland in der Zukunft wieder relativ normal werden.

 

Doch die Verhältnisse haben sich massiv geändert seit Ende des Ost-West-Konflikts: Viele Brücken etwa sind für große Lasten nicht nutzbar. Zudem gibt es immer mehr Kreisverkehre, die für Konvois ein Hindernis darstellen. Verladebahnhöfe müssen angemietet werden, um Panzer von der Straße auf die Schiene zu verlegen. Hinzu kommen neue bürokratische Hürden. Den reibungslosen Transport durch mehrere Länder sicherzustellen, ist eine Aufgabe des Nato-Hauptquartiers, das nach dem Beschluss der Nato-Verteidigungsminister in Ulm aufgebaut werden soll – als eines von zwei neuen Hauptquartieren weltweit.

Militärische Schwertransporte lange vernachlässigt

„Das Thema war während des Ost-West-Konflikts viel stärker im Fokus, wurde dann vernachlässigt und wird nun im Zusammenhang mit der Bündnis- und Landesverteidigung wieder in den Blickpunkt gerückt“, sagte der künftige Chef des neuen Kommandos, Generalleutnant Jürgen Knappe, unserer Zeitung. Knappe ist Befehlshaber des Multinationalen Kommandos Operative Führung in Ulm. „Die gesamte Bewegung der Folgekräfte soll besser koordiniert und gesteuert werden.“

Er will die Aufgaben des operativen Hauptquartiers aber nicht auf Logistik und Nachschub verkürzt wissen. Auch das Führen unterstellter Kräfte, deren Training, Integration und Schutz zählen dazu – ebenso die Kontrolle des Cyberraums. In den nächsten Wochen soll in Ulm ein Aufbaustab gebildet werden, der dann die Detailplanung übernimmt. Daraus wird die Größe des Hauptquartiers abgeleitet. Die Rede ist von 90 bis 100 Soldaten im Friedensfall und von 450 bis 500 Soldaten nach einer Aktivierung. In diesem Bündnisfall stößt Personal vom Multinationalen Kommando dazu, das mit seinen Angehörigen aus 17 Nationen ohnehin Führungsaufgaben für Nato und EU übernimmt. Es ergeben sich also starke Synergieeffekte – dies vor allem hat für die Auswahl der Ulmer gesprochen.

Das Hauptquartier als neues zweites Standbein

So wird das Kommando von Juli an ein Jahr lang als „operatives Hauptquartier“ in Bereitschaft stehen, um bei Bedarf kleinere bis mittlere Nato-Missionen zu führen. „Abhängig vom Einsatzspektrum würden mir dann 10 000 bis 60 000 Kräfte unterstellt“, sagt Knappe. Ein ähnlicher Auftrag könnte 2020 wieder für die EU folgen, entschieden ist das aber noch nicht. Bisher schwebte das Multinationale Kommando immer über den Dingen, schien in Nato und EU kaum eingebunden zu sein. Dies werde sich „ganz bestimmt“ ändern, so der General. Nach außen und „manchmal leider auch in der Bundeswehr“ sei sein Kommando weniger beachtet worden. Mit dem Nato-Hauptquartier als neuem zweiten Standbein könne man sich mehr darunter vorstellen. Die Reaktionen aus der Politik zeigten bereits, dass es deutlich stärker wahrgenommen werde.

Während die Politik von US-Präsident Donald Trump einen immer größeren Keil in die Allianz zu treiben scheint, kann sich der Ulmer General über den Zusammenhalt auf seiner Ebene nicht beklagen. „Ganz im Gegenteil“, sagt er. Es gebe ein „hohes Interesse“ der Nato-Partner, sich am neuen Hauptquartier zu beteiligen, wie er in vielen Gesprächen erfahren hat. Allerdings räumt er auch ein, dass die Besetzung der multinationalen Dienstposten in seinem Kommando „durchaus noch ausbaufähig ist“.

„Bundeswehr beteiligt sich ausgesprochen gut“

Leistet die Bundeswehr aus seiner Sicht genug für die Nato? „Ich denke schon“, sagt der General. Die Truppe habe „erhebliche Anteile“ an den Nato-Verfügungskräften angemeldet. „Wenn man das in der Gesamtkonstellation sieht, welche Kräfte wir eingesetzt haben in den unterschiedlichen Bereichen, so denke ich, dass wir da ausgesprochen gut und angemessen vertreten sind.“

Während in der Bundeswehr heftig über Materialmängel diskutiert wird, zeigt sich Knappe für sein Kommando „im Moment ausgesprochen zufrieden“. Er habe das Gefechtsstandsmaterial, das er für den mobilen und stationären Einsatz benötige. „Im IT-Bereich haben wir zwar noch nicht all das, was wir uns wünschen würden – aber für die jeweiligen Einsätze habe ich das bisher zur Verfügung gestellt bekommen.“