Revierleiter Martin Rathgeb hat im Stammheimer Bezirksbeirat die Kriminalstatistik 2020 vorgestellt. Die Zahl der festgestellten Straftaten ist um gut 12 Prozent gestiegen, die Aufklärungsquote beträgt fast 70 Prozent.

Stammheim - PKS – hinter diesen drei Buchstaben verbirgt sich der Begriff „Polizeiliche Kriminalstatistik“. Dieses Zahlenwerk wird einmal jährlich für die Gesamtstadt und die einzelnen Bezirke erstellt und öffentlich in verschiedenen Gremien präsentiert. Dabei weisen die Beamten immer wieder darauf hin, dass die PKS keinesfalls ein Abbild der tatsächlichem Kriminalitätsbelastung ist. Schließlich können nur Straftaten dort aufgenommen werden, die der Polizei auch zur Kenntnis gelangt sind.

 

Eine Statistik mit begrenzter Aussagekraft

Als Martin Rathgeb, Leiter des Zuffenhäuser Reviers, das auch für Stammheim zuständig ist, den Bezirksbeiräten die aktuellen Daten für das Jahr 2020 vorstellte, verwies er kurz auf ein Zitat, das – wohl fälschlicherweise – Winston Churchill zugeschrieben wird: „Ich traue nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.“ Gefälscht sind die Zahlen natürlich nicht, aber wie bereits erwähnt, ist ihre Aussagekraft sehr begrenzt. Zum Glück, denn sonst müssten in Stuttgarts nördlichstem Bezirk die Alarmglocken läuten: 2020 wurden in Stammheim insgesamt 522 Straftaten festgestellt. 2019 waren es noch 465. Das bedeutet einen Anstieg von 12,3 Prozent. Ein Blick auf Details offenbart teilweise hohe Anstiege in Teilbereichen. Raubdelikte nahmen um 150 Prozent zu, ebenso stark stieg die Gewalt gegen Beamte. Es gab 60 Prozent mehr Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum und 55 Prozent leichte Körperverletzungen mehr als im Jahr 2019.

Rathgeb erläuterte, was sich hinter den Zahlen verbirgt: Beim Punkt „Gewalt gegen Polizeibeamte“ seien auch Fälle gegen das JVA-Personal enthalten. Und der Anstieg der Raubdelikte betrage zwar 150 Prozent, was konkret aber bedeute, dass die Zahl von zwei auf fünf Fälle gestiegen sei. Dennoch stellte Rathgeb klar: „Jeder Fall ist einer zuviel.“ Die starke Zunahme von Aggressionsdelikten im öffentlichen Raum (15 auf 24 Fälle) und die Zahl der leichten Körperverletzungen (47 auf 73 Fälle) ordnet der Revierleiter einem Trend zu, den er gar nicht gerne sieht: „Es ist in negativem Sinne faszinierend, wie die Gewaltbereitschaft zunimmt.“ Positiv angetan ist der Kriminaldirektor hingegen von der Aufklärungsquote. Sie beträgt 69,7 Prozent und liegt damit ziemlich genau zehn Prozent über dem Wert von 2019. Rathgeb ging auch kurz auf das Thema Corona ein. Hierbei würden die Verstöße nach Postleitzahlen gefiltert. Stand 25. März 2021 seien 112 Betroffene aus Stammheim ermittelt worden – vor allem im Bezug auf das Versammlungsverbot.

Der nächtliche Lärm der JVA nervt die Anwohner

Als der Revierleiter das Thema JVA ansprach, wurde es im Publikum lebendig. „Das nächtliche Geschrei hat stark zugenommen, warum kriegt man das nicht in den Griff?“, wollte ein JVA-Anwohner wissen. Eine Anwohnerin vermutete gar, die Ruhestörer, die nachts vor den Gefängnismauern ihr Unwesen treiben, machten sich einen Spaß daraus, die Polizei auszutricksen. Bezirksvorsteherin Susanne Korge gab zu bedenken, dass die Zahl der Beschwerden stetig zunehme, CDU-Bezirksbeirätin Bianka Durst erzählte, ihre Fraktion habe wegen des Themas das Justizministerium angeschrieben. „Das ist eine wahnsinnige Belastung für die Anwohner“, sagte Rathgeb. Wenn aber JVA-Insassen zu ihren Fenstern herausschreien würden, dann liege dies nicht in seinem Zuständigkeitsbereich. Und Ruhestörer außerhalb der Mauern seien nur ganz schwer dingfest zu machen. Sie verfügten über Späher, die jeden anrückenden Streifenwagen sofort weitermelden würden.