Rund 500 Luxusautos sollen zwei Deutsch-Libanesen mit falschen Papieren in den Großraum Stuttgart geschmuggelt haben. Mitgeholfen haben sollen korrupte Prüfingenieure und eine Mitarbeiterin des Böblinger Landratsamts.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Stuttgart - Die Autoschieber hatten es vornehmlich auf Luxusautos abgesehen. Mercedes-Geländewagen oder die BMW-X-6-Sportwagen standen beispielsweise auf der Liste der beiden 46 und 27 Jahre alten Tatverdächtigen. Diese Luxusautos sollen sie im Großraum Stuttgart illegal angeboten haben, nachdem diese mit gefälschten Papieren importiert und in Böblingen illegal zugelassen worden seien – so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

 

Sonderermittlungsgruppe „Saraya“

Dass die mutmaßliche Autoschieberbande überhaupt ermittelt wurde, ist dem Verkehrsdienst Esslingen zu verdanken. Den Beamten waren im vergangenen Jahr Autos aufgefallen, die so in Deutschland nie hätten zugelassen werden dürfen. Genaueres allerdings teilt die Staatsanwaltschaft Stuttgart aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mit. Im November habe die Polizei die Sonderermittlungsgruppe „Saraya“ gebildet, die den merkwürdigen Autos nachspürte, berichtet der Ludwigsburger Polizeipressesprecher Stefan Hermann. Mehrere Monate ermittelten die Beamten zusammen mit der Stuttgarter Zollfahndung, bis sie das mutmaßliche Geschäftsmodell der beiden 46 und 27 Jahre alten Deutsch-Libanesen nachvollziehen konnten.

Nach den Ermittlungen der Polizei ist das Geschäft so gelaufen: Die beiden Drahtzieher hätten in den Vereinigten Arabischen Emiraten Luxusautos gekauft und auf dem Seeweg über Rotterdam nach Deutschland eingeführt. Auf Abstellplätzen hätten sie in Leonberg und Geislingen an der Steige die Fahrzeuge zwischengelagert. Um Einfuhrzölle und Steuern zu sparen, legten die Tatverdächtigen offenbar den deutschen Zollbehörden gefälschte Rechnungen vor, die deutlich zu tief angesetzt waren.

Korrupte Prüfingenieure

Doch hörten ihre kriminellen Machenschaften nach den Erkenntnissen der Polizei damit nicht auf. Denn Fahrzeuge aus den arabischen Emiraten können in Deutschland nicht ohne Weiteres zugelassen werden. „Das betrifft Details wie Wärmeverglasung, die Form der Lichter und anderes“, sagt dazu der Polizeisprecher Stefan Hermann. Für die Zulassung wären teure Vollgutachten fällig gewesen, die sich die Tatverdächtigen offenbar gespart haben, indem sie die Prüfingenieure aus dem Großraum Stuttgart bestachen, die sogar dann Fahrzeugpapiere ausgestellt haben sollen, als sich die Autos noch auf dem Seeweg befanden. Diese Ingenieure gehörten alle einer bestimmten Prüforganisation an, doch den Namen gibt die Polizei aus Ermittlungsgründen nicht preis.

Die falschen Papiere und die gefälschten Kaufverträge seien dann an das Landratsamt Böblingen gegangen, wo eine mutmaßlich korrupte Mitarbeiterin die Autos auf Strohmänner zugelassen habe. Diesen Strohmännern kauften wiederum gutgläubige Kunden die Autos ab, und damit waren die Transaktionen abgeschlossen. Rund 500 Autos wurden so veräußert – bis die Polizei zuschlug. Am Mittwoch durchsuchte die Beamten die Wohnungen der Tatverdächtigen. Sie fanden nicht nur Bargeld in ungewöhnlicher Höhe von 50 000 Euro, sondern auch zwei Handgranaten, zwei russische Sturmgewehre und ein Kleinkaliber-Gewehr. „Zur Zeit sind die Waffen bei unseren Entschärfern“, sagt Hermann. Die Spezialisten sollen Genaueres über die Waffen herausfinden.

„Wir sind zutiefst bestürzt“

Nachdem die Deutsch-Libanesen und die Mitarbeiterin des Landratsamtes festgenommen wurden, gibt es inzwischen auch einen Haftbefehl, und zwar gegen die Mitarbeiterin der Zulassungsstelle. Simone Hotz, die Pressesprecherin des Landratsamts, gibt die Stimmung in der 2200 Mitarbeiter großen Behörde wieder: „Wir sind zutiefst bestürzt.“ Der letzte Korruptionsfall liegt zehn Jahre zurück, seinerzeit ging es um das Müllheizkraftwerk Böblingen.

Doch scheint das Geschäftsmodell mit den Autos noch weitere Kreise gezogen zu haben. Die Polizei hat inzwischen Verbindungen zu einer Autoschieber-Gruppe in Berlin aufgedeckt, die nach einem ähnlichen Geschäftsmodell gearbeitet haben soll. In Berlin wurden am Mittwoch 15 Wohnungen durchsucht und drei Personen verhaftet. Die Ermittlungen zu dem Fall dauern an.