Die Digitalisierung der Hochschulen müsse „Chefinnensache“ werden. Die Grünen werfen der Bildungsministerin Anja Karliczek nun offen Untätigkeit bei der Unterstützung der Unis vor.

Berlin - Die Universitäten stehen vor einem sehr schwierigen Sommersemester, in der die Lehre weitgehend digital vermittelt werden muss. Die Opposition im Bundestag erhebt massive Vorwürfe, dass das zuständige Bundesministerium zu wenig dafür tue, um die Hochschulen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Der Präsident der Hochschuldirektoren ist da zurückhaltender.

 

Anna Christmann, die technologiepolitische Sprecherin der Grünen, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung, der Bund sei „in der Akuthilfe für digitale Hochschullehre ein Totalausfall“. Er lasse Länder und Hochschulen allein. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bleibe „notorisch passiv“. Christmann reagiert damit auf die Beantwortung einer von ihr gestellten Anfrage an die Bundesregierung. Sie wollte darin vor allem wissen, wie es mit der Umsetzung des im Koalitionsvertrag angekündigten „Wettbewerbs für digital innovative Hochschulen“ stehe. Darauf geht die Antwort der Regierung nicht ein. Der Wettbewerb ist noch nicht gestartet. Christmann wirft Ministerin Anja Karliczek „Untätigkeit“ vor und spricht von einem „Schlag ins Gesicht von Millionen engagierter Studierenden und Wissenschaftlern“. Die Digitalisierung der Hochschulen müsse „Chefinnensache“ werden.

Ministerin „duckt sich weg“

In der Antwort der Bundesregierung heißt es, das Ministerium unterstütze die Hochschulen „mit einem breiten Portfolio bei der Digitalisierung von Studium und Lehre“ und nennt beispielhaft die Förderung des Hochschulforums Digitalisierung. Das Forum biete den Hochschulen „schnelle und praktische Unterstützung bei der Digitalisierung der Lehre“.

Auch bei der FDP hat der Kurs der Bildungsministerin ähnliche Kritik ausgelöst. Jens Brandeburg, der hochschulpolitische Sprecher der FDP-Bundestagfraktion, sagte unserer Zeitung, die Ministerin „duckt sich einfach weg“. Es seien „kurzfristige Investitionen in Software und Serverkapazitäten nötig“. Dafür sollten Mittel aus dem Zukunftsvertrag „Studium und Lehre“ vorgezogen werden. Tatsächlich weist die Regierung in ihrer Antwort darauf hin, dass unter anderem aus dieser Vereinbarung zwischen Bund und Ländern „in den kommenden Jahren ein enormer Qualitätsschub“ ausgelöst werde. Brandenburg ist das zu langsam. Er fordert Bildungsministerin Karliczek auf, „kurzfristig eine bundesweite Beratungsstelle für digitale Lehre“ zu schaffen, die die Hochschulen bei didaktischen, technischen und datenschutzrechtlichen Fragen unterstützen soll.

Kritik wird zurückgewiesen

Professor Peter André Alt, der Präsident der Hochschuldirektorenkonferenz (HRK), sagte unserer Zeitung, die Umstellung auf digitale Angebote verlaufe „nach meinem Eindruck überwiegend erfolgreich“. Die Verantwortlichen setzten „alles daran, dass die Studierenden ein weitgehend normales Semester absolvieren können“. Alt wiederholt nicht die harschen Attacken der Opposition auf das Bundesministerium. „Zunächst sind die Länder am Zug, wo zusätzliche Ausstattungen finanziert werden müssten“, sagte Alt. Die meisten hätten „erfreulicherweise auch kurzfristig reagiert“. Seit langem sei aber klar, dass ein „langfristiger Digitalpakt zwischen Bund und Ländern gebraucht“ werde. Aufgrund der aktuellen Erfahrungen werde es „hoffentlich leichter zu vermitteln sein, wie wichtig die technische Infrastruktur für ein modernes Lehrangebot und eine wettbewerbsfähige Forschung“ sei. Es müsse das Ziel sein, dass dies aus den Haushalten der Hochschulen heraus verlässlich und dauerhaft möglich sei.