Viele Fahrgäste und der Backnanger Landtagsabgeordnete Gernot Gruber kritisieren die Talentzüge, die jetzt auf der Murrbahntrasse rollen. Bemängelt werden zu wenig Sitzplätze in der Hauptverkehrszeit und zu harte Sitze.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Die neuen Züge des Modells Talent des Eisenbahnproduzenten Bombardier, die seit Mitte Dezember auf der Strecke Murrhardt über Backnang nach Stuttgart rollen, seien in der Hauptverkehrszeit oft total überfüllt. Viele Fahrgäste bekämen keinen Sitzplatz und müssten stehen. Die Züge seien zudem oft unpünktlich, die Sitze in den modernen Waggons viel zu hart.

 

Diese Kritik bekommt Gernot Gruber von vielen Pendlern immer wieder zu hören. Gruber ist SPD-Landtagsabgeordneter aus Backnang und studierter Mathematiker. Der Parlamentarier pendelt selbst mit der Bahn zur Arbeit nach Stuttgart. Und nach seinen Berechnungen ist in der Hauptverkehrszeit zwischen 6 Uhr und 8 Uhr nun ein Regionalzug weniger im Einsatz als vor dem Fahrplanwechsel.

Ministerium kann Grubers Fragen noch nicht beantworten

Ein Pendler, der namentlich nicht genannt werden möchte, spricht von „viel zu wenig Sitzplätzen“. Er steige in Oppenweiler in den Zug und habe bis zur Einführung der Talent-Züge immer einen Sitzplatz bekommen, auch in der Hauptverkehrszeit. Nun jedoch nicht mehr. Schuld daran sei vermutlich das Sitzplatzkonzept, sagt der Mann, der von „übertrieben viel Beinfreiheit“ spricht. Deshalb gebe es wohl zu wenig Plätze. „Die Pünktlichkeit in der Hauptverkehrszeit ist mit den Talent-Zügen nach meinem Empfinden noch schlechter geworden, und die Abfahrtsgleise wechseln gefühlt drei- bis vier Mal bevor der Zug abfährt.“ Bisher sei immer klar gewesen, auf welchem Bahnsteig man habe warten müssen. Die Durchsagen auf dem Bahnhof, so die Kritik des Mannes, ertönten meist erst, wenn der Zug längst abgefahren sei.

Gernot Gruber hat kürzlich beim Landesverkehrsminister eine Kleine Anfrage eingereicht. Er will unter anderem wissen, welche Fahrgastzahlen der Ausschreibung der Netze auf der Murrbahn zugrunde liegen. Er fragt, ob die Talent-Züge nach Einschätzung des Ministeriums „über genügend Beförderungskapazitäten und Sitzplätze für die Fahrgäste verfügen, insbesondere in den Hauptverkehrszeiten“, und ob es möglich ist, drei statt bis dato zwei gekuppelte Züge rollen zu lassen. Der Abgeordnete will zudem wissen: „Unter welchen Bedingungen kann das Land den Einsatz einer Dreifachtraktion verlangen?“ Also drei gekuppelte Züge.

Eine Sprecherin des Ministeriums hat auf Anfrage unserer Zeitung erklärt, dass es noch nicht möglich sei, alle Fragen des Abgeordneten zu beantworten. Den Fahrgästen werde durch die neuen Züge „ein möglichst hohes Platzangebot in allen Bereichen und sowohl im Zug als auch am Bahnsteig eine deutlich verbesserte Barrierefreiheit ermöglicht“. Jedes Fahrzeug habe Sitzplätze für insgesamt 215 Fahrgäste, das Sitzplatzangebot könne im Mehrzweckbereich erweitert werden. „Hierdurch können auch Fahrgastspitzen effektiv abgefangen werden.“

Die neuen Fahrzeuge hätten „großzügige Mehrzweckbereiche, die Platz für 30 Fahrräder, Kinderwagen oder mobilitätseingeschränkte Fahrgäste bieten“. Aus diesem Grund falle der Anteil des Erste-Klasse-Bereichs geringer aus, als dies bisher der Fall gewesen sei. In den Hauptverkehrszeiten könne es in der ersten Klasse zu „einer hohen Sitzplatzauslastung“ kommen. Die neuen Fahrzeuge seien für die Fahrgäste attraktiv, so die Sprecherin – sie erwähnt kostenloses W-Lan. Die Wagen seien klimatisiert und hätten großzügige Sitzabstände mit mehr Beinfreiheit, das mache die Fahrten bequemer und angenehmer. Die Sitze, die aus Sicht mancher Pendler zu hart sind, seien gemeinsam mit dem Fahrgastbeirat des Landes ausgewählt worden.

Kostenloses W-Lan und mehr Beinfreiheit

Die Bahn erklärt, dass sogar vier Fahrzeuge gekuppelt werden könnten. Aber bereits bei drei verbundenen Waggons erreiche der Zug eine Länge von 230 Metern, und nicht alle Bahnsteige auf der Murrbahn seien lang genug für so einen Zug.