Sich an den Dienstherrn eines Bloggers zu wenden, ist wohl der unsouveränste Weg, den eine Stadtverwaltung wählen kann, findet unsere Redakteurin Karen Schnebeck.

Göppingen - Hat es der Oberbürgermeister Guido Till wirklich nötig, einen Lehrer anzuschwärzen? Wenn man bedenkt, dass sich die Grünen-Politikerin Renate Künast übelste Beleidigungen wie „Geisteskranke“, „Schlampe“ oder „Stück Scheiße“ gefallen lassen muss, weil das Berliner Landgericht dies für „zulässige Meinungsäußerungen“ hält, die zwar „überspitzt, aber nicht unzulässig“ seien, dann handelt es sich hier ganz sicher um einen minder schweren Fall.

 

Der Weg, den Till gewählt hat, ist fragwürdig

Dass der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till oft nicht glücklich über die Berichterstattung in dem Blog „Forum Göppingen“ ist, ist klar. Schließlich wünscht sich jeder Politiker eine gute Presse, und tatsächlich schießen die Kommentare des Lehrers Heiko Stobinski manchmal übers Ziel hinaus. Es ist also durchaus legitim, dass der Rathauschef und seine Verwaltung versuchen, auf eine positivere Berichterstattung hinzuwirken.

Doch der Weg, den Till und seine Stadtverwaltung gewählt haben, ist mehr als fragwürdig und lässt vermuten, dass so manche Kritik aus dem Blog, etwa über den Umgang Tills mit Ehrenamtlichen und Mitarbeitern, berechtigt ist. Denn sich an den Arbeitgeber eines Kritikers, in diesem Fall das Stuttgarter Regierungspräsidium, zu wenden, das hat sehr viel mit Denunziantentum und sehr wenig mit einer echten Auseinandersetzung zu tun. Da hilft auch das Argument des Pressesprechers Olaf Hinrichsen nichts, es gehe nicht um die Kritik in dem Blog, sondern um strafrechtlich relevante Äußerungen und die Vorbildfunktion Stobinskis als Lehrer.

In einem hat die Stadt recht: Lehrer sollten sich um einen sachlichen Tonfall bemühen

Von einem Rathauschef hätte man eigentlich erwarten können, dass er auf Kritiker zugeht und das Gespräch mit ihnen sucht. Gerade auf längere Sicht hätte das sicher eher dabei geholfen, Guido Till eine gute Presse zu verschaffen als der Vorstoß beim Regierungspräsidium, von dem Heiko Stobinski zudem erst durch die Behörde selbst erfahren hat. Der Weg, den der Oberbürgermeister gewählt hat, ist im besten Fall ungeschickt, im schlechtesten unsouverän, ja sogar hinterhältig.

Andererseits hat die Stadt in einem recht: Ein Lehrer hat eine Vorbildfunktion. Unbedingt soll er die Schüler zu kritischem Denken erziehen und sie ermuntern, Kritik zu äußern. Aber gerade in Zeiten, in denen Populisten falsche Fakten verbreiten und der Debattenton mehr als rüde geworden ist, sollte sich ein Lehrer um einen sachlichen Tonfall bemühen.