Der Gemeinde Neuhausen zugewiesene Flüchtlinge weigern sich, ihre Unterkunft in einer ehemaligen Lagerhalle zu beziehen. Das Landratsamt Esslingen und ehrenamtliche Helfer üben harsche Kritik an der Unterbringungspolitik der Verwaltung.

Neuhausen - Rund elf Flüchtlinge, die am Montag von der Stadt Kirchheim nach Neuhausen verlegt worden sind, haben sich geweigert, in die von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Anschlussunterkunft in einer ehemaligen Lagerhalle einzuziehen. Aus Protest haben sie die Nacht auf Dienstag im Freien verbracht. Die Kommune erntet massive Kritik vom Esslinger Landratsamt. Neuhausen habe „genug Zeit gehabt, um für die Flüchtlinge adäquate Unterkünfte bereitzustellen“, heißt es in einem Antwortschreiben auf eine Anfrage unserer Zeitung. Die Neuhausener Flüchtlingsinitiative Willkommen in Neuhausen (WIN) hat zudem ihre Arbeit inzwischen eingestellt – aus Protest über die von ihnen kritisierte Untätigkeit der Neuhausener Gemeindeverwaltung.

 

Die Flüchtlinge, die am Montag vonseiten des Landratsamts in der ehemaligen Hertie-Lagerhalle in der Neuhausener Mörikestraße untergebracht werden sollten, haben zum Teil auf dem Schlossplatz in Zelten übernachtet, die ihnen von Bürgern zur Verfügung gestellt wurden. Mit Plakaten auf denen „Help me“ oder „Ich brauche Hilfe“ stand, haben sie auf sich aufmerksam gemacht. Das improvisierte Lager ist laut einer Mitteilung der Kommune „von der Polizei und dem Ordnungsamt geräumt“ worden.

Landratsamt kritisiert Neuhausener Planungen

Die Geflüchteten akzeptierten diese Unterkunft nicht, „weil sie sich nicht mit mehreren Personen ein Zimmer teilen wollen“, sagt Bernd Schober, der Neuhausener Hauptamtsleiter. Dass die Unterkunft nicht fertig sei, wie unter anderem von WIN kritisiert wird, stimme nicht. „Die Räume sind frisch renoviert, eine Küche wurde installiert“, heißt es einer Mitteilung der Gemeinde. Am Sonntag aufgenommene Fotos lassen einen anderen Schluss zu. Die Handwerker sind noch zugange, elektrische Leitungen hängen von der Decke, es fehlten Möbel, Betten und Kücheneinrichtungen, stellt ein Augenzeuge fest.

Doch selbst, wenn es gelungen sein sollte, all dies noch zu bewerkstelligen, geht das Landratsamt mit den Neuhausener Planungen hart ins Gericht. Bereits am 11. Mai habe die Kreisbehörde mit der Gemeinde sowohl über die Zuweisung von Kirchheim nach Neuhausen als auch über eine mögliche Unterstützung gesprochen. Der Kreis habe Containerstandorte baurechtlich priorisiert, bis letztendlich von Neuhausen die Mörikestraße als Unterkunftsmöglichkeit „entdeckt“ worden sei, wie in der Stellungnahme auf eine Presseanfrage nicht ohne Ironie angemerkt wird.

Das Landratsamt habe daraufhin „alle Anstrengungen unternommen“, um kurzfristig eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung dieser im Besitz der Kommune befindlichen Halle zu erteilen. Doch „was in den letzten Wochen in Neuhausen geschehen ist, können wir nicht nachvollziehen“, schreibt Peter Keck, der Pressesprecher des Landratsamts. Schließlich sei die Zuweisung der Gemeinde seit Mai bekannt.

Auf die Frage, wo die 21 am Montag und Dienstag zugewiesenen Flüchtlinge und jene 30, die bis zum Freitag noch hinzu kommen, denn jetzt übernachten, antwortet Bernd Schober: „Was wir machen können, überprüfen wir gerade.“ Auch hier wird das Esslinger Landratsamt deutlich: „Wenn die Flüchtlinge jetzt nicht die Unterkünfte in Neuhausen akzeptieren, ist es Aufgabe der Gemeinde Neuhausen als Ortspolizeibehörde und als für die Anschlussunterbringung zuständige Gemeinde, geeignete Wege zu finden, damit Ruhe einkehrt.“ Bernd Schober will zu den Ausführungen des Kreises „inhaltlich keine Stellung beziehen“.

Ehrenamtliche haben Arbeit eingestellt

Großer Unmut herrscht schon seit einiger Zeit bei den ehrenamtlichen Helfern der Neuhausener Flüchtlingsinitiative WIN. Sie haben die Arbeit eingestellt, „und wir nehmen sie erst wieder auf, wenn sich etwas bei der Verwaltung bewegt“, stellt Martina Kleinhansl von WIN klar. Es seien schon mehrere Gespräche mit dem Bürgermeister Ingo Hacker geführt worden – vergeblich. Wenn beispielsweise für bereits bestehende Unterkünfte um die Reparatur eines Rollladen, die Montage von Briefkästen oder Haustürklingeln gebeten werde, „dauert das ewig oder wird gar nicht erledigt“, moniert Martina Kleinhansl. Die Unterkunft in der ehemaligen Hertie-Lagerhalle sei allenfalls „ein Dach über dem Kopf, das ist aber auch alles“. In Planungen der Gemeinde zur Flüchtlingsunterbringung würden selbst erfahrene WIN-Mitarbeiter nicht eingebunden, die Informationspolitik sei zudem mehr als mangelhaft. Auf Fragen, die in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Dienstag, 4. Juli, gestellt worden seien, „gab es keine Antworten“, sagt Martina Kleinhansl.

Unter den Helfern von WIN habe sich inzwischen „große Frustration bis hin zur Resignation“ breit gemacht. WIN habe sein Engagement eingestellt, um den Druck auf die Gemeinde zu erhöhen. Bernd Schober hofft, dass die Parteien in einem, ihm zufolge für nächste Woche angesetzten Termin aufeinander zugehen.