Die Bürger wollen mehr Möglichkeiten, im Internet Verwaltungsdienste in Anspruch zu nehmen. Doch der Fortschritt beim Weg zur digitalen Verwaltung wird von zwei Bundesländern aufgehalten.

Berlin - Die Bürger würden sich zeitaufwendige Behördengänge gern sparen und Verwaltungsvorgänge online erledigen – doch dafür gibt es kaum Angebote. Dass Deutschland bei der Digitalisierung der Verwaltung im europäischen Vergleich auf Platz 21 rangiert, bezeichnet der Nationale Normenkontrollrat als Skandal. Der Rat berät die Regierung beim Bürokratieabbau. Der Vorsitzende Johannes Ludewig appellierte an Bund, Länder und Gemeinden, die Digitalisierung zur Chefsache zu erklären. „Durch die Digitalisierung verändert sich die ganze Welt, nur die Verwaltung bleibt gleich“, sagte Ludewig.

 

Unzufrieden ist der Bürokratie-Tüv, der im Auftrag der Bundesregierung arbeitet, mit Baden-Württemberg und Bayern. Anlass für Ludewigs Frust ist, dass sich die beiden Länder beim bundesweiten Online-Zugang zu Behörden querstellen. Bund und Länder wollen bis 2022 rund 570 Dienstleistungen der Verwaltung online anbieten. Doch Bayern und Baden-Württemberg machten nicht mit. Wichtig sei, dass alle staatlichen Ebenen an einem Strang zögen, meinte Ludewig. Er hofft, dass die beiden Bundesländer bis Jahresende noch einlenken. Mit der Bund-Länder-Finanzreform wurde vor zwei Jahren auch ein gemeinsames Online-Portal beschlossen.

Deutschland kann von Österreich lernen

Dass eine leistungsstarke Wirtschaftsnation wie Deutschland bei der Digitalisierung weit hinterherhinke, stellt auch die Informations- und Telekommunikationsbranche fest. Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Branchenverbands Bitkom, nannte Länder wie Dänemark, Spanien und Österreich als Vorbild. Obwohl die Strukturen in Deutschland und Österreich vergleichbar seien, ist die Alpenrepublik nach Auffassung des Normenkontrollrats bei der Digitalisierung der Verwaltung um zehn Jahre voraus. Das kleine EU-Land Malta bietet nahezu alle Verwaltungsleistungen elektronisch an. Der Inselstaat sei dabei Vorreiter.

Laut einer Umfrage des Verbands Bitkom zeigten die Bürger ein großes Interesse an digitalen Verwaltungsdiensten für Familien. Sechs von zehn Bürger wünschen sich, das Kindergeld oder den Kitaplatz online beantragen zu können. Auch Dokumente wie die Geburtsurkunde sollten digital abgerufen werden können. Fast drei Viertel aller Befragten würden auch gern über das Internet ihren Wohnsitz an- und abmelden. Auch die Kfz-Zulassung oder die Beantragung von Personalausweisen solle online erfolgen. Der Bitkom fordert, Kompetenzgerangel auf allen Ebenen zu überwinden. Das Anstehen in Behörden und die Hinterlegung von Papierbelegen kosteten die Bürger viel Zeit, sagte Rohleder.

Deutschland könne von anderen lernen. In den Niederlanden besäßen 13 Millionen Bürger eine elektronische Karte für Behördenangelegenheiten. Ratsvorsitzender Ludewig macht einen radikalen Vorschlag. Die Vorgabe, dass Verwaltungsdokumente eine Unterschrift brauchen, solle wegefallen. Es sei ausreichend, wenn der Nachweis der Schriftform auf wenige Bereiche begrenzt werde.