Die Nationale Akademie der Wissenschaften will der Wissenschaft zu mehr Gehör verhelfen und kritisiert Journalisten für ihr Desinteresse und ihre mangelnde Fachkompetenz. Das hilft in der eigentlich sinnvollen Debatte nicht weiter.

Stuttgart - Die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) will das Niveau der öffentlichen Debatte heben. Dort haben wissenschaftliche Argumente ihrer Ansicht nach nicht mehr den Stellenwert, der ihnen zusteht. In einer Stellungnahme knöpft sie sich daher Wissenschaftler und Journalisten vor und ermahnt sie zu einer besseren Kommunikation: Wissenschaftler sollen nicht übertreiben und auch auf die Schwächen ihrer Arbeit eingehen; Journalisten sollen gegenrecherchieren und nicht nur über die populären Dinosaurier schreiben, sondern auch über trockene, aber wichtige Forschungspolitik (hier mein Bericht zur Stellungnahme der Nationalen Akademie).

 

Aus meinem Studium an der Universität Bielefeld kenne ich den Sprecher der zuständigen Arbeitsgruppe der Nationalen Akademie, den Soziologen Peter Weingart. Mir ist noch seine Botschaft im Ohr, dass die Medien nach ihren eigenen Gesetzen funktionieren. Nun wird die Arbeit der Medien zur Abwechslung nicht analysiert, sondern bewertet. Das darf die Nationale Akademie auch, ich finde es sogar erfreulich. Der Journalismus verändert sich und Wissenschaftsjournalisten machen sich Gedanken über ihre Arbeit – das sind gute Voraussetzungen, um ins Gespräch zu kommen. Auch in einem anderen Punkt stimme ich zu: Bürger sollen kompetent mitreden können – und Journalisten können ihnen das erleichtern.

Doch dann stelle ich fest, dass sich die Nationale Akademie mit ihrer Stellungnahme gar nicht an die Journalisten richtet, sondern an die Verleger: Sie sollen die Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter verbessern und den Wissenschaftsthemen mehr Platz einräumen. Und ihnen wird empfohlen, „neue innovative Felder (zum Beispiel im Datenjournalismus oder im Bereich des partizipativen Journalismus und der neuen Medien) zu erschließen“. Das hilft einem Journalisten wie mir bei der Arbeit nicht weiter. Ich frage mich zum Beispiel, wie man ein breites Publikum für sperrige Forschungspolitik einnimmt. Dazu bietet die Nationale Akademie keine Antwort, und es ist auch nicht ihre Aufgabe. Aber wer fordert, sollte auch eine Ahnung davon haben, wie man die Forderung erfüllen könnte. Die Arbeitsgruppe von Peter Weingart ignoriert die Gesetzmäßigkeiten, denen der Journalismus unterliegt. Man kann sich ja mal was wünschen.

Die Nationale Akademie macht Werbung in eigener Sache

Die Nationale Akademie wünscht sich sogar einen Presserat für Wissenschaftsbeiträge, begründet aber nicht, warum es für diesen Bereich eine eigene Instanz geben sollte. Das weckt den Verdacht, dass sie die Wissenschaft in der öffentlichen Debatte formal hervorheben möchte, obwohl doch die wissenschaftlichen Argumente für sich sprechen sollten. Dazu passt auch der Hinweis, dass man „dem Verlust einer zumindest basalen Scientific Literacy in der Gesellschaft entgegenwirken“ wolle. Für die wissenschaftliche Grundbildung sind Journalisten nicht zuständig. Sie greifen aktuelle Themen auf und zeichnen ein ausgewogenes, pointiertes Bild der Lage. Dabei erläutern sie oft die Grundzüge der wissenschaftlichen Arbeitsweise oder die fachlichen Grundlagen eines Themas. Aber das ist nur ein Mittel, kein Zweck.

In der Stellungnahme distanziert sich die Nationale Akademie von der Erwartung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse die öffentliche Debatte prägen und politische Entscheidungen vorbestimmen könnte. Aber die Distanz ist nicht allzu groß. Sie scheint die Wissenschaft aus dem Klein-Klein der öffentlichen Debatte heraushalten und vor den manchmal sonderbaren medialen Phänomenen wie dem Hoch- und Runterschreiben von Personen bewahren zu wollen. Auch das darf sie natürlich. Aber in diesem Punkt ist sie befangen. Schließlich nimmt sie als „Stimme der Wissenschaft“ zu gesellschaftlich relevanten Themen deutlich Stellung.