Friedrich Merz, der Mann für die Wirtschaft im Team von Kanzlerkandidat Armin Laschet, setzt sich über das Wahlprogramm hinweg und attackiert die Brüsseler Parteifreundin Ursula von der Leyen.

Berlin - Wenige Tage nach dem großen Aufschlag von Kanzlerkandidat Armin Laschet zur Klimapolitik ist in der Union ein offener Streit über den weiteren Weg zur Treibhausgasneutralität entbrannt. Laschets Schattenwirtschaftsminister Friedrich Merz (beide CDU) distanzierte sich demonstrativ von einem wichtigen Aspekt des Wahlprogramms und attackierte zugleich die Brüsseler EU-Kommission sowie deren Chefin Ursula von der Leyen, die ebenfalls der CDU angehört. Aus Laschets Wahlkampfteam kam umgehend Unterstützung für die Kommissionspräsidentin.

 

Der Konflikt dreht sich um Pläne für die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs – also einer Abgabe auf Produkte, die etwa in China oder Indien mit klimaschädlichen Verfahren hergestellt und nach Europa verkauft werden. Merz sagte am Dienstag bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats, wenn es dazu komme, „dann ist das nicht nur das Ende der Freihandelspolitik, dann ist das der Beginn eines neuen Welthandelskonflikts, bei dem es nur Verlierer geben wird“. Die kommende Regierung müsse alles tun, „um diesen Unsinn zu verhindern, der da in der Europäischen Kommission – leider unter Führung einer deutschen Kommissionspräsidentin – geplant wird“.

Laxe Standards in anderen Ländern

Von der Leyens EU-Kommission hatte Mitte Juli ein umfangreiches Gesetzespaket vorgeschlagen, das dem Ziel dienen soll, Europas Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken und den Kontinent bis 2050 klimaneutral zu machen. Teil dieses Pakets ist auch ein CO2-Grenzausgleich. Er soll verhindern, dass etwa europäische Stahlhersteller Aktivitäten in Länder mit laxeren Klimastandards verlagern oder Produkte aus Europa durch CO2-intensivere Einfuhren ersetzt werden. Der Klimaschutz und die ökologische Transformation sind das zentrale Projekt der amtierenden EU-Kommission.

Das Instrument eines CO2-Grenzausgleichs ist umstritten, allerdings bekennt sich die Union in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich dazu. Darin heißt es, CDU und CSU wollten in internationalen Klimakooperationen mit großen Volkswirtschaften ambitionierte Standards etablieren. Ergänzend dazu wolle man „gemeinsam mit unseren europäischen Partnern einen WTO-konformen CO2-Grenzausgleich“ einführen – also ein System, das den Regeln der Welthandelsorganisation entspricht. CDU-Vorstandsmitglied Wiebke Winter, die in Laschets Team für Klimapolitik verantwortlich ist, verteidigte die Pläne am Mittwoch. Winter sagte unserer Zeitung: „Der CO2-Grenzausgleich ist sinnvoll – wenn wir unseren Unternehmen beim Klimaschutz etwas zumuten, müssen wir sie international vor weniger ambitionierten Wettbewerbern schützen.“ Winter ergänzte: „Wir müssen natürlich schauen, dass wir ärmere Länder auch befähigen, selbst klimaneutral zu produzieren.“

Kopfschütteln über Merz

Laschet hatte erst am Montag mit Winter und anderen CDU-Politikern ein Konzept präsentiert, wie der Klimaschutz und der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden sollen. Friedrich Merz, der Laschet Anfang des Jahres im Kampf um den Parteivorsitz unterlegen war, gehört dem Wahlkampfteam ebenfalls an. Zuletzt stellte Laschet seinem einstigen Rivalen sogar einen Ministerposten in Aussicht, indem er sagte, Merz sei das „wirtschafts- und finanzpolitische Gesicht“ der Union, das auch nach Bundestagswahl prägend sein werde.

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Die politische Konkurrenz quittierte Merz’ Einlassungen zur Klimapolitik am Mittwoch mit Kopfschütteln. „Das ist ein Frontalangriff auf Armin Laschet und Ursula von der Leyen und wird die Parteigremien der CDU sicherlich noch beschäftigen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Wenn Merz eine bessere Idee als den CO2-Grenzausgleich habe, „soll er sie gerne auf den Tisch legen“. Ein Handelskrieg sei jedenfalls nicht zu erwarten. „Das Instrument ist eher dazu geeignet, dass sich weltweit neue Technologien durchsetzen.“