Fast einen Monat nach dem Ablaufen der Bieterfrist taucht wie aus dem Nichts ein neuer Investor für Alno auf. Er will mit einer geschrumpften Belegschaft die Produktion wieder anfahren. Mitarbeiter müssten allerdings zu deutlich schlechteren Bedingungen weiterarbeiten.

Stuttgart - Die Produktion in Pfullendorf ruht bereits seit August. Die Abwicklung des Küchenbauers Alno war seit 24. November beschlossene Sache und scheinbar traurige Gewissheit für die Belegschaft. Damals ist das Bieterverfahren ausgelaufen, in dem nach Angaben eines Sprechers von Insolvenzverwalter Martin Hörmann kein einziger Interessent ein Angebot abgegeben hatte. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, keimt wieder Hoffnung für das Traditionsunternehmen und einen Teil seiner Belegschaft auf. Hörmann hat in der Nacht von Montag auf Dienstag einen Kaufvertrag mit dem Finanzinvestor Riverrock unterschrieben.

 

Die Investmentgesellschaft mit Sitz in Dublin, deren Vorsitzender und Mitgesellschafter das deutsche Berater-Urgestein Roland Berger ist, erwirbt demnach für 20 Millionen Euro wesentliche Teile des Unternehmens am Stammsitz in Pfullendorf wie Grundstücke und Maschinen sowie die Markenrechte an Alno.

Erklärtes Ziel von Riverrock, das nach eigenen Angaben auf mittelständische Unternehmen in Europa und insbesondere in Deutschland spezialisiert ist und am Dienstag für Fragen nicht erreichbar war, ist laut einer Mitteilung die baldige Wiederaufnahme der Produktion und des Geschäftsbetriebs. Dazu sollen 410 von zuletzt rund 570 Mitarbeitern in einem noch zu gründenden Unternehmen – Neue Alno GmbH – beschäftigt werden, das vom bisherigen Vertriebs- und Marketingvorstand Andreas Sandmann geführt werden soll. „Wir freuen uns sehr, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun wieder Hoffnung schöpfen können. Nun müssen wir abwarten, dass wichtige Bedingungen erfüllt werden, damit der Vertrag wirksam wird“, teilte Hörmann mit. Zu diesen Bedingungen gehöre die Zustimmung des Gläubigerausschusses, die Gründung einer Transfergesellschaft für die Mitarbeiter, die nicht in die GmbH wechseln, sowie die Genehmigung von Kurzarbeit durch die Agentur für Arbeit. Laut seinem Sprecher rechnet Hörmann mit einer Einigung über diese offenen Fragen bis zum 1. Januar.

Beschäftigten drohen kräftige finanzielle Einbußen

Als der Insolvenzverwalter den Beschäftigten am Dienstagmorgen die Neuigkeiten persönlich überbrachte, seien diese so gefasst wie bei fast jeder vorherigen Wendung im seit Jahren andauernden Überlebenskampf des Unternehmens gewesen, beschreibt der Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Albstadt, Michael Föst, die Stimmung. Er schätzt die Zahl der Anwesenden auf 500. Die Bedingungen, die der mögliche neue Eigentümer an die Beschäftigten stellt, dürften ihnen leidlich vertraut sein: Immer wieder hatte die Alno-Belegschaft in der Vergangenheit durch Gehaltsverzicht oder Mehrarbeit daran mitgewirkt, die Pleite hinauszuzögern.

Dieses Mal lauten die Konditionen wie folgt: Ausstieg aus der Tarifbindung und damit weder Anspruch auf Lohnsteigerungen noch auf Urlaubs- oder Weihnachtgeld, 15 Prozent weniger Gehalt sowie Ausweitung der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 40 Wochenstunden, was nach den Worten von Föst einem weiteren Minus von 15 Prozent beim Gehalt gleichkäme. „Heftig“, sagt der Gewerkschafter, der jedem Beschäftigten rät, genau zu prüfen, was das Angebot der Alno GmbH für ihn persönlich bedeutet. So käme ein Mitarbeiter, der heute bei einer 35-Stunden-Woche 2800 Euro verdiente, dann auf weniger als 2400 Euro trotz fünf Arbeitsstunden mehr pro Woche. Bonuszahlungen sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Stand heute hält es Föst für völlig offen, wie viele Beschäftigte dem Übergang in die GmbH zustimmen werden. Sie haben dafür Zeit bis zum 29. Dezember.

Zeitpunkt des Angebots kam überraschend

Falls mehr Beschäftigte als benötigt zustimmen sollten, müsste in Abstimmung mit dem Betriebsrat entschieden werden, wer einen Vertrag erhält und wer nicht, so der Sprecher des Insolvenzverwalters. Die übrigen Mitarbeiter würden dann in eine Transfergesellschaft wechseln. Zur Zahl der Beschäftigten, die bereits einen neuen Arbeitgeber gefunden haben, konnten weder der IG-Metall-Vertreter noch der Sprecher des Insolvenzverwalters etwas sagen. Beide zeigten sich auch überrascht vom Zeitpunkt, an dem das Angebot abgegeben worden sei. „Wir haben es am vergangenen Donnerstag erhalten, seitdem wurde unter Hochdruck verhandelt“, so der Hörmann-Sprecher. Am Bieterverfahren habe sich Riverrock nicht beteiligt, was wiederum die Frage aufwirft, wieso die Investmentgesellschaft, selbst Alno-Gläubiger, dem Unternehmen zwischenzeitlich ein Massedarlehen über sechs Millionen Euro gewährt hat. Die „FAZ“ hatte Ende September darüber berichtet, das Kunden, Lieferanten und Gesellschafter nicht mehr bereit gewesen seien, ein weiteres Risiko einzugehen.

Wie das Traditionsunternehmen, dessen Küchen mittlerweile zu Dumpingpreisen in einigen großen Möbelhäusern buchstäblich verscherbelt würden, das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen will, ist für den IG-Metall-Vertreter Föst die entscheidende Frage. Eine Aussage zur künftigen Strategie oder zu dringend erforderlichen Investitionen in den Standort Pfullendorf sei der Investor bisher schuldig geblieben.