An diesem Freitag nimmt der künftige LBBW-Chef Rainer Neske seine Arbeit auf – zunächst als Vorstand an der Seite seines Vorgängers Vetter. Eigene Akzente werden von ihm erwartet, wenn er im November die Führung übernimmt – besonders im Auftritt nach innen und außen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es wird ein Amtsantritt ohne jedes Brimborium. Wenn Rainer Neske (51) an diesem Freitag zunächst als normales Mitglied in den Vorstand einzieht, macht die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) darum öffentlich keinerlei Aufhebens. Der einstige Privatkundenvorstand der Deutschen Bank kommt zwar als designierter Chef von Frankfurt nach Stuttgart, doch die Nachfolge von Hans-Jörg Vetter (63) wird er erst im November antreten. Bis dahin hat er vier Monate Gelegenheit, alle Bereiche der Bank, ihre Gremien, die Strukturen sowie Manager und Mitarbeiter an der Seite Vetters kennenzulernen. Im Vergleich zur Deutschen Bank, für die Neske 25 Jahre lang gearbeitet hatte, sei man „vielleicht kein großes Haus, aber ein verzweigtes“, hatte der Noch-Vorstandschef gemeint. Zudem muss sich der Neue erst einmal mit der ganz eigenen Welt der öffentlich-rechtlichen Banken vertraut machen.

 

Der Paarlauf auf Zeit dürfte sich harmonisch gestalten, denn Vetter bekommt gleichsam seinen Wunschnachfolger. Immer wieder machte er deutlich, wie viel er von Neske hält: Mit seinem Profil passe der hoch angesehene Banker „hervorragend zu unserer Bank“. Er werde den bisherigen Kurs kontinuierlich fortführen, hatte der Aufsichtsratschef Christian Brand angekündigt und zwei Punkte hervorgehoben: die konsequente Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden und die Begrenzung von Risiken. Man sei sich sicher, so Brand, dass Neske „die erfolgreiche Arbeit Vetters fortsetzen“ werde.

Zum Abschied höchstes Lob für Vetter

Mit dem scheidenden Vorstandschef waren die LBBW-Eigner – Land, Sparkassen und Stadt Stuttgart – hoch zufrieden. Geradezu überschwänglich wurde seine Leistung gefeiert, als er unlängst die Verdienstmedaille des Landes erhielt. Geehrt werde ein „äußerst profilierter Banker“, der „weithin als Sanierungsexperte bekannt“ sei. Auch die einst als „bärenstark“ gepriesene, aber in der Finanzkrise „schwer angeschlagene“ Landesbank habe er seit 2009 wieder auf Kurs gebracht. Die Altlasten abgebaut, Beteiligungen abgestoßen, das Auslandsnetz gestrafft, die Bilanzsumme reduziert – damit sei die LBBW „grundsolide“ und „zukunftsfest“ aufgestellt.

Von den Herausforderungen, die auf seinen Nachfolger warten, klang in der Laudatio naturgemäß wenig an. Dabei sind sie nicht gering. Im Vergleich zu anderen Instituten steht die Landesbank mit ihrem Geschäftsmodell zwar gut da, doch sie muss die gleichen Probleme lösen: die Folgen der Nullzinsphase mit ihren schmelzenden Erträgen, die Regulierung mit einem Korsett von Vorschriften und die fortschreitende Digitalisierung des Bankgeschäfts. Als studierter Informatiker, hört man, sei Neske da im Vorteil. Zudem muss er den Sparkurs fortsetzen, samt unpopulären Maßnahmen wie der Schließung von Filialen. Die Eigner erwarten schließlich auch weiterhin gewisse Ausschüttungen.

Neidvolle Blicke zur Südwestbank

Bei aller Kontinuität werden von Neske aber auch eigene, andere Akzente erwartet - vor allem im Auftreten und im Führungsstil. Wiewohl Chef einer öffentlichen Bank, mied Vetter weitgehend die Öffentlichkeit. Die üblichen Pflichttermine und rare Interviews absolvierte er pflichtschuldig, aber das musste genügen. Auch im gesellschaftlichen Leben Stuttgarts und Baden-Württembergs spielte er kaum eine Rolle – und wollte das auch nie: privater Lebensmittelpunkt des gebürtigen Göppingers blieb der Frankfurter Raum. Bei den (Firmen-)Kunden, hört man, sei der Vorstandschef sehr wohl präsent gewesen. Doch seit dem Abschied des BW-Bank-Chefs Joachim Schielke, wurde immer wieder beklagt, fehle der Bank ein Gesicht.

Neidvoll schielten manche LBBW-ler zu der ungleich kleineren Südwestbank, die von ihrem omnipräsenten Vorstandssprecher Wolfgang Kuhn profitiere. Seit seinem Einzug in den Vorstand vor zehn Jahren sei die Bilanzsumme von 3,9 auf 7,1 Milliarden und der Jahresüberschuss von 8,7 auf 45,8 Millionen Euro gestiegen, bilanzierte die Bank kürzlich. Ob als VfB-Fan (der sogar einmal als Präsident gehandelt wurde) oder als Förderer von Wissenschaft und Kunst – gerne und gekonnt bespielt Kuhn das gesellschaftliche Parkett, auch zum Wohl seines Instituts. Seit 1985 wohne er „aus Überzeugung in Stuttgart“, ließ er zu seinem Jubiläum verbreiten – vielleicht ein kleine Stichelei gegen den Pendler Vetter. Ob Neske mit seiner Familie nach Stuttgart ziehen wird, ist unklar; er äußert sich derzeit noch nicht.

Der Neue gilt als dialogorientiert

Auch bankintern könnte es mit Neske einen gewissen Kulturwandel geben. Vetter wurden teilweise autokratische Züge nachgesagt, böse Zungen nannten ihn sogar einen „Tyrannen“. An seinem Durchsetzungswillen ließ er jedenfalls nie einen Zweifel, langes Federlesen machte er nicht – auch nicht mit in Ungnade gefallenen Managern oder Mitarbeitern. Gewisse persönliche Eigenheiten irritierten zuweilen zwar auch die LBBW-Eigner, aber angesichts seines Erfolges sahen sie darüber hinweg. Gesprächspartner etwa nebelte Vetter schon mal mit seinem Pfeifenrauch ein, ohne vorher auch nur zu fragen, ob es vielleicht störe. Den Nachfolger Neske schildern Weggefährten als umgänglich und dialogorientiert; da werde ein „Aufatmen“ durch die Bank gehen.

Weniger lukrative Zeiten könnten mit dem Führungswechsel hingegen für Rechtsanwälte anbrechen. Unter Vetter gab es für sie bei der LBBW immer reichlich Arbeit, besonders für seine Stammkanzlei White & Case, der er seit seinen Berliner Zeiten verbunden ist. Stirnrunzelnd wurde unter den Eignern registriert, wie viel Geld die Bank für die rechtliche Absicherung und für Gutachten ausgab. Nicht jedes Gerichtsverfahren, das der streitbare Vorstandschef führen ließ, löste bei ihnen Begeisterung aus. Als „Prozesshansel“ sah sich Vetter indes nicht; man tue nur das Notwendige und wolle keine Anwälte reich machen. Von Neske wird hier etwas mehr Zurückhaltung erwartet, was ihm nicht schwerfallen dürfte. Von seinem alten Arbeitgeber weiß er nur zu gut, wie belastend Rechtsstreitigkeiten für eine Bank sein können.

„Kein Banker, sondern ein Bankier“

Mit der Deutschen Bank hat der Ex-Vorstand offenbar selbst noch eine kleine Rechnung offen: Er gehört zu jenem Kreis von Top-Managern, deren Boni aus früheren Jahren wegen rechtlicher Risiken teilweise einbehalten wurden. Anders als manche Ex-Kollegen soll Neske, der sich dazu nicht äußert, aber nicht über die Bank verärgert sein oder gar rechtliche Schritte planen. Das würde auch schlecht zu ihm passen: Bei seinem Abschied im gegenseitigen Einvernehmen soll er auf die Auszahlung seines millionenschweren Vertrages verzichtet haben. Allenthalben wird betont, wie wohltuend sich der bodenständige, unprätentiöse Westfale von den raffgierigen Investmentbankern unterscheide. Das vielleicht schönste Lob bekam er vergangenes Jahr zum Abschied von Deutsche-Bank-Aktionären: er sei „kein Banker, sondern ein Bankier“. Bei der LBBW wurde es mit Wohlgefallen gehört.