In einer Serie stellen wir Künstler von den Fildern vor und sprechen mit ihnen auch über Werke, die sie um keinen Preis verkaufen wollen oder solche, die seit Langem keinen Käufer gefunden haben.

Leinfelden-Echterdingen - „Viel geplagt“, hat sich Gerhard Tagwerker nach eigener Aussage mit seiner Studienarbeit und blickt auf eine goldglänzende Bronzeskulptur. Die bewahrt er neben vielen anderen Arbeiten immer noch in seinem Atelier im alten Ortskern von Echterdingen auf. „Über ein halbes Jahrhundert ist die Familiendarstellung nun alt – und unverkäuflich.“

 

Der 1932 in Klagenfurt geborene Künstler kam als zweijähriger Junge ins nordböhmische Teplitz-Schönau und gelangte nach der Vertreibung nach Bamberg, wo er sich nach dem Schulabschluss zum Bildhauer und Barock-Stuckateur ausbilden ließ. Er legte die Meisterprüfung zum Steinbildhauer ab, war an der Restauration von Kirchen in ganz Süddeutschland beteiligt – unter anderem auch am Aufbau der Stiftskirche in Stuttgart. Dort traf er Otto Hayek, der ihn zum Kunststudium ermunterte.

Rund 100 Kirchen gestaltet

Von 1963 an arbeitete Tagwerker als freischaffender Bildhauer. Seine Palette reicht von der Kunst am Bau über geometrische Objekte bis hin zu religiös inspirierten Arbeiten. Einen besonderen Ruf genießt er durch die Ausgestaltung von rund 100 Kirchen in Südwestdeutschland. Zudem unterrichtete er 25 Jahre lang bis 1997 am Eduard-Spranger-Gymnasium in Bernhausen Bildende Kunst und gründete dort auch eine Jazz-Band, denn Musik ist seine große Liebe neben dem Hauptberuf.

Die 1959 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart entstandene Studienarbeit bringt ihn zurück zu den Anfängen seiner Künstlerlaufbahn, die anhand unzähliger Werke in seiner Werkstatt zu verfolgen ist. Hier sind vor allem Arbeiten aus Stein zu sehen, weshalb die Bronzeskulptur auch aus diesem Grund heraussticht.

Drei Monate lang Löcher gebohrt

Für die hatte er ein Wachsmodell entworfen, in das die 1200 Grad Celsius heiße Legierung, die vor allem aus Kupfer, Zinn und in diesem Fall Silizium besteht, gegossen wurde. „Das ist an sich schon eine Kunst“, bewertet er die Arbeit der Metallgießer. Das anschließende Problem: Bronze ist, nachdem sie in die Form gegossen wurde, porös und nicht sonderlich ansehnlich. Um ihr die gewünschte glatte, spiegelnde Oberfläche zu geben, musste der Künstler drei Monate lang tagtäglich ans Werk.

In jede der Poren wurde ein kleines Loch gebohrt, ein Gewinde gefräst und dann eine Bronzeschraube hineingedreht, die aus dem gleichen Material wieder der Bronzeguss bestehen musste. „Bis 1000 bin ich gekommen, danach habe ich aufgehört, die kleinen Schrauben zu zählen, die ich in die Skulptur gedreht habe“, schmunzelt Tagwerker und bezeichnet das rückblickend als „Sisyphusarbeit“.

„Ein Werk, das ich niemals verkaufen werde“

Nun also hatte das Werk keine Poren mehr, dafür war die Oberfläche noch rau und dunkelgrau. Der nächste Arbeitsschritt folgte: das Schleifen von Hand. „Nur durch das Polieren bekommt Bronze diese goldene Farbe“, begründet der Künstler diesen Arbeitsschritt, der schließlich zum fertigen Werk führte. Die Figurengruppe aus der durch diese Behandlung sogenannten Spiegelbronze stellt eine Familie mit drei Kindern dar. Es ist kein detailgetreues Abbild, sondern eine Umsetzung in philosophischer Denkweise.

Diese Arbeit war immer wieder mal in Ausstellungen zu sehen. Der Bildhauer hat sie jedoch jedes Mal wieder mit nach Hause genommen. „Es ist eines der Werke“ sagt Tagwerker, „das ich niemals verkaufen werde.“