Lebensbilder: Arnold Sienerths vorweggenommener Abschied von seiner siebenbürgischen Heimat. Im Rumänien des Diktators Ceausescu traute er sich damals noch nicht, sein Bild tatsächlich „Abschied“ zu nennen.

Möhringen - Wie schnell es dann doch gehen würde, ahnte er noch nicht. Arnold Sienerth traute sich damals im Rumänien des Diktators Ceausescu auch nicht, sein Bild „Abschied“ zu nennen. Aber die Symbole dieses kubistisch inspirierten Ölgemäldes von 1985 waren eindeutig. Er wollte, mit Mutter, Frau und Kind, seine siebenbürgische Heimat Haschagen bei Hermannstadt oder Sibiu gen Westen, gen Deutschland verlassen. Die Bedrängnis der deutschsprachigen Minderheit, die ihre Kultur 800 Jahre lang im Karpatenbogen behauptet hatte, war immer unerträglicher geworden.

 

Da ist eine Schriftrolle zu sehen, die für die Geschichte der Vorfahren steht, das Andenkenbuch, die Briefe. Da sind gedeckelte Gräber, die gepackten Koffer und die geschnürten Pakete; der Schlüssel fürs Haus, den man bei der Ausreise abgeben musste, die Uhr auf zehn vor zwölf. Irgendwo hängt das Techniker-Diplom, an die Wand genagelt. Den Hintergrund bilden die Tore, Türme und Dächer mit den geschwungenen Dachgauben, wie man sie in Hermannstadt/Sibiu findet. Arnold Sienerth hat die Art später nur in Freudenstadt wiedergesehen. Zentrum ist wieder eine Rolle, die dezent in den deutschen Fahnenfarben endet.

Lehre als Maurer, Abitur auf dem Abendgymnasium

Das Malen und Zeichnen hatte Sienerth schon als Kind geliebt. Im Jahr 1946 war er in Hermannstadt zur Welt gekommen als Sohn eines Bauern, der später zum Traktorfahrer kollektiviert wurde. Im Dorf gab es einen deutschsprachigen Kindergarten, in Kleinscheuern kam er nach der Zwergschule auf ein Internat, wo er in der siebten Klasse seine spätere Frau Maria kennenlernte. Er machte eine Lehre als Maurer, holte nach der Berufsschule auf dem Abendgymnasium das Abitur nach, das dort Baccalaureat hieß, und studierte Maschinenbau-Techniker. Am Reißbrett konstruierte er die in Lizenz von MAN hergestellten Lastwagen der Staatsmarke mit.

Nebenher besuchte Arnold Sienerth über drei Jahre hinweg die Kunstkurse auf einer Art Volkshochschule, wo seine „sehr gute Dozentin“ in die Kunstgeschichte und die Techniken der Malerei einführte. Ihm empfahl sie das Öl und ermutigte den penibel genauen Eleven zu gröberem Werkzeug wie dem Spachtel statt des Pinsels – und zu mehr Abstraktion. „Meine Landschaften wollte sie nicht sehen“, sagt Arnold Sienerth, der gelegentlich für Auftraggeber noch gern altmeisterliche Bilder im romantischen Stil eines Caspar David Friedrich malt.

„Viele firmen, viel Druck und wenig Geld“

Im Sommer 1989, ein halbes Jahr vor der rumänischen Revolution, durfte er mit der Familie ausreisen, kam nach Nürnberg, Rastatt, Heidelberg und hatte keinen leichten Start, obwohl er sich „sehr, sehr freundlich aufgenommen“ fühlte. Die Konkurrenz der Übersiedler aus der aufgelösten DDR war stark. Als Leiharbeiter, dazu anfangs zunächst auch stets auf Wohnungssuche, gab es für ihn „viele Firmen, viel Druck und wenig Geld“. Trotz einer schweren Herzoperation 1992 arbeitete er weiter, kam auf Vermittlung seines Bruders nach Stuttgart und konnte sein von vielen Wechseln geprägtes Berufsleben schließlich auf einer Kanzleistelle beim Zoll abschließen.

Nie ließ er sich entmutigen. „Ich wollte mich immer beweisen“, sagt er, „ein bisschen auch in der Kunst.“ Man versteht seinen stillen Stolz auf den einzigen Sohn. Der forscht als promovierter Biologe an der britischen Elite-Universität Cambridge und hat den Sienerths zwei Enkel geschenkt.