Am Donnerstagabend wird im Stuttgarter Haus der Wirtschaft die Künstlermesse Baden-Württemberg eröffnet. Allerdings könnte es die letzte sein, weil das Land die Unterstützung streichen will.

Stuttgart - „Mer gäbet nix.“ Nicht mehr. Die siebte Ausgabe der Künstlermesse Baden-Württemberg, die an diesem Wochenende im Stuttgarter Haus der Wirtschaft ihre Tore öffnet, könnte die letzte ihrer Art sein – das Land hat angekündigt, die Fördersumme von 12 500 Euro künftig nicht mehr aufbringen zu wollen. Ursula Thiele-Zoll vom Berufsverband Bildender Künstler (BBK), der sich seit über zwölf Jahren um die Messeorganisation kümmert, versteht die Welt nicht mehr. „Der Betrag ist eigentlich lächerlich gering,“ sagt die Malerin aus Stuttgart.

 

Zum Vergleich verweist sie auf ähnliche Formate in anderen Bundesländern. Das weniger reiche Thüringen etwa greife seiner in Erfurt beheimateten Künstlermesse wesentlich großzügiger unter die Arme als der wirtschaftliche Power-Staat im Südwesten. Offizielle Begründung von Seiten des zuständigen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst: Die Unterstützung sei nicht als kontinuierliche Leistung angelegt gewesen, sondern habe nur dem Anschub gedient.

Künstler unter sich: Galerien sind nicht zugelassen

Zwar übernimmt Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch einmal die Schirmherrschaft, doch bereits in diesem Jahr wird seine Landesregierung keinen Vertreter entsenden, um bei der Vernissage ein Grußwort zu sprechen. Nicht zum ersten Mal macht die Politik der Künstlermesse das Leben schwer. 2013 war es der Umzug des Landtags, der die Veranstaltung kurzfristig aus ihrem bisherigen Domizil im Kunstgebäude vertrieb. Immerhin fand sich mit dem Haus der Wirtschaft noch rechtzeitig eine ebenfalls zentral gelegene Ersatzlocation. „Der Ort hier ist sehr schön“, sagt Thiele-Zoll. „Er bietet in puncto Catering sogar bessere Möglichkeiten als das Kunstgebäude, trotzdem haben wir 2013 und auch 2015 Besucher verloren.“ Die Gründe: In der Kunstszene sei das Haus der Wirtschaft nicht so etabliert, zudem erwies sich vor zwei Jahren die zeitliche Überschneidung mit der Art Karlsruhe als zusätzliches Problem.

Dem Renommee der Messe unter Künstlern haben die Hindernisse auf dem organisatorischen Weg bislang aber nicht geschadet. „Über zweihundert Kreative“, berichtet Thiele-Zoll, „haben sich dieses Jahr für die rund achtzig Kojen beworben.“ Zu sehen sind Werke aus allen Gattungen, die Preise bewegen sich meist im drei- oder vierstelligen Bereich. Was die Verkaufsschau aber grundsätzlich von ihren weltbekannten Verwandten wie der Art Basel oder der Art Cologne unterscheidet, ist der Gedanke der Selbstverwaltung: „Die Künstler nehmen als Künstler teil, Galerien sind nicht zugelassen.“ Weswegen vom Erlös auch nicht die kunsthandelsüblichen Provisionen abzugeben sind.

Lebendiger Austausch mit Publikum

Trotz des zuletzt gesunkenen Publikumszuspruchs hätten immer noch mindestens zwei Drittel der Messeteilnehmer Gewinn gemacht. Und selbst für manche, die nichts verkaufen konnten, habe es sich gelohnt, weil Museumskuratoren oder Galeristen auf sie aufmerksam wurden. Ein Plus liegt für Thiele-Zoll auch in der Stimmung während der drei Messetage: „Die Künstler sind anwesend und stellen sich den Fragen der Besucher. So lebendige Diskussionen, wie ich sie in Stuttgart erlebt habe, kenne ich aus Basel oder Köln nicht.“

Wer von den interessierten Künstlern letztlich zum Zug kommt, bestimmt eine vom BBK-Landesverband einberufene Jury. Dass nicht die Perspektive des Galeristen, sondern die Einschätzung von Künstlern zähle, tue der Messe gut, glaubt Thiele-Zoll: „Experimentelle Ideen oder flüchtige Genres wie eine Performance haben auf dem offiziellen Kunstmarkt oft einen schweren Stand.“ Diese Diskrepanz zwischen konzeptuellem Anspruch und kommerzieller Wirklichkeit ist auf der Messe auch Thema einer Podiumsdiskussion, zu der sich unter anderem die Stuttgarter Kunstmuseums-Chefin Ulrike Groos und Jean-Baptiste Joly, der Direktor der Akademie Schloss Solitude, angekündigt haben.

Der Gedanke der ökonomischen Unabhängigkeit war es auch, der Thiele-Zoll vor mehr als zwölf Jahren bewog, die Messe ins Leben zu rufen. Schon einmal, zu Beginn ihrer Karriere, erprobte die Künstlerin die eigenverantwortliche Vermarktung. 1972 gründete sie im Gerberviertel zusammen mit Kollegen eine Produzentengalerie. „Aber einige der Beteiligten“, erinnert sich Thiele-Zoll, „wollten lieber für die Weltrevolution kämpfen, statt Kunst zu machen.“ Das Projekt schlief nach kurzer Zeit ein. Geblieben sei die Idee vom Künstler als autonomem Unternehmer. „Im Prinzip ist die Künstlermesse nichts anderes als eine ganz, ganz große Produzentengalerie.“