Aus der Coronanot heraus hat die private Künstlersoforthilfe mit einfachsten Mitteln inzwischen mehr als 1,3 Millionen Euro für Kulturschaffende in Stuttgart mobilisiert. Und die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Was einer zusammen mit ein paar anderen bewirken kann, wenn er von etwas überzeugt ist, das zeigt das Beispiel der Künstlersoforthilfe in Stuttgart. Als sich im Frühjahr 2020 eine Krankheit namens Corona bleischwer auch auf die Stadt Stuttgart, ihre Menschen und ihr reiches kleinkünstlerisches Leben presste, legte der stadtbekannte Journalist Joe Bauer mit Bekannten etwas Geld zusammen, um Künstlerfreunden auszuhelfen, die knapp bei Kasse waren und keine Aussicht hatten, bald wieder auftreten zu können. Bald wurde mehr daraus, und die private, ehrenamtliche Initiative erhielt einen Namen: Künstlersoforthilfe.

 

Der Name war Programm: den durch Corona ausgebremsten Künstlerkolleginnen und -kollegen sollte sofort geholfen werden. „Es ging zunächst darum, Kühlschränke zu füllen“, wie Joe Bauer es ausdrückt. Ohne große Formalien. Ein Geben und Empfangen auf Vertrauensbasis über ein geeignetes Vereinskonto, mit dem der Kulturmanager Peter Jakobeit dienen konnte.

Inzwischen wurden viele Kühlschränke bestückt

Bedürftige aus dem weit gesteckten Kreis der Kulturschaffenden gab es viele. Gleichzeitig auch viele Menschen, Stiftungen und Unternehmen, die diese Form der Hilfe unterstützten. Inzwischen haben sie viele Kühlschränke bestückt – immer auch mehrfach. Und nicht nur das: Die Künstlersoforthilfe stockt Gagen auf, ermöglicht Auftritte und unterstützt nahezu täglich Studenten und Studentinnen aus dem Kulturbereich.

Nach fast anderthalb Jahren Künstlersoforthilfe zieht Bauer Bilanz: „Wir haben bis jetzt 1,34 Millionen Euro an Spenden bekommen.“ Rund 1,27 Millionen Euro seien ausgeschüttet worden. „Die verbleibenden 70 000 Euro reichen vielleicht bis Ende September, um Leuten zu helfen“, meint Bauer. „Es gibt weiterhin Bedarf.“ Noch immer gehen täglich Mails mit der Bitte um Unterstützung ein. Punktuelle und schnelle Unterstützung, wie sie die Künstlersozialhilfe anbiete, bleibe wichtig, auch wenn sich die Landesregierung sehr bemühe, etwas für die Kulturszene zu tun, so der Journalist.

„Kultur ist eine Lebensweise“

Auf eines legt Bauer Wert: „Wir sind kein Almosenverein. Es geht uns um eine demokratische Lebensweise, die wir auch im Kleinen gemeinsam verteidigen müssen.“ Der Lockdown hat angedeutet, wie es ist, wenn eine Stadt kulturell verwaist. Man müsse die Orte der Begegnung pflegen, ihre Spielstätten, Proberäume und Kleinstbühnen. „Das kommt mit bei der reinen Kulturbetriebsbetrachtung oft zu kurz“, sagt Bauer. Kultur ist für ihn mehr. Ein Ausdruck für eine lebendige, solidarische Stadt und damit ein politischer Akt. Mit seiner Initiative geht es ihm auch darum, für ein breites Verständnis von internationaler Kultur zu werben. „Kultur ist keine geschlossene Veranstaltung. Kultur ist eine Lebensweise“, lautet ein Slogan der Initiative. Auch deswegen will er mit der Künstlersoforthilfe weitermachen. Dass man das kann, wenn man will, hat er gezeigt.

Wer spenden möchte: www.kuenstlersoforthilfe-stuttgart.de IBAN: DE 21 4306 0967 7005 4549 00, Empfänger: Kultig e.V. GLS-Bank