Warum der Hersteller von Befestigungstechnik aus Künzelsau Marktanteile gewinnt, Lieferengpässen trotzt, kräftig investiert und allein in Deutschland mehr als 700 Mitarbeiter einstellen will.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Der Künzelsauer Weltmarktführer für Montagetechnik steuert ungeachtet des schwierigen Umfelds weiter auf Wachstumskurs. Im ersten Halbjahr 2022 ist der Umsatz der Würth-Gruppe um 18,4 Prozent auf 9,9 Milliarden Euro gestiegen.

 

Auch wenn man die hohen Wachstumsraten bis zum Jahresende voraussichtlich nicht halten könne, geht Würth-Chef Robert Friedmann von einem zweistelligen Zuwachs aus und rechnet damit, „dass 2022 ein erneutes Rekordjahr bei Umsatz und Ergebnis wird“. Er ist zuversichtlicher als zu Jahresbeginn und nicht so pessimistisch wie Firmenpatriarch Reinhold Würth. Der hatte sich erst kürzlich geäußert, dass er es für möglich halte, „dass Würth zum ersten Mal in der 76-jährigen Geschichte rote Zahlen schreibt“.

Firmenpatriarch Reinhold Würth ist krisenerprobt

„Wir glauben nicht, dass es so schlimm kommt und wir im vierten Quartal 30 Prozent Umsatzrückgang haben“, sagte Friedmann. Die Äußerungen von Eigentümer Reinhold Würth seien legitim und als Mahnung in die Organisation hinein zu verstehen nach dem Motto, „wir dürfen nicht ignorieren, was um uns herum passiert, der Boom hält nicht ewig, macht euch Gedanken, wenn es schlechter wird“, sagte Friedmann. Reinhold Würth habe schließlich alle Krisen erlebt und als Unternehmer mit 72 Berufsjahren die größte Erfahrung.

Der Blick in die Vergangenheit stimme ihn zuversichtlich, sagte Friedmann, der seit 2005 Sprecher der Konzernführung ist. Bislang sei Würth aus allen Krisen gestärkt herausgekommen. Als Gründe nannte er unter anderem die Agilität, Eigentümerstruktur und Diversifizierung des Unternehmens. „Das versetzt uns in die Lage, uns wieder schnell nach vorn zu entwickeln.“

Im ersten Halbjahr hat sich das Betriebsergebnis auf 720 Millionen Euro (nach 520 Millionen Euro) verbessert. Grund dafür waren Produktivitätssteigerungen vor allem bei den großen, etablierten Gesellschaften in Deutschland, Südeuropa und den USA.

Fast 30 Prozent Umsatzplus in der Elektroniksparte

Freilich belasten die Krisen, die gerade geballt über die Wirtschaft hereinbrechen – angefangen von Liefer- und Materialengpässen über Preissteigerungen und Coronapandemie bis zum Krieg in der Ukraine und dessen Folgen – auch für Würth herausfordernd und dämpfen die Erwartungen fürs zweite Halbjahr. Dennoch konnte der Montage- und Befestigungsspezialist im ersten Halbjahr Marktanteile und zusätzliche 50 000 Kunden gewinnen. Profitiert hat Würth davon, dass man in baunahen Branchen unterwegs ist, ebenso von der hohen Nachfrage nach Elektronikprodukten wie Leiterplatten, elektronischen und elektromechanischen Bauelementen. In der Elektroniksparte legte der Umsatz um knapp 30 Prozent zu.

Im Gegensatz zu vielen Unternehmen konnte Würth den Lieferengpässen trotzen. Als Gründe dafür nannte Friedmann den geringen Asienanteil – 75 Prozent der Würth-Produkte kommen aus Europa –, die Eigenproduktion und die Aufstockung der Lagerhaltung. „Wir haben die finanziellen Mittel dazu“, so der Würth-Chef. Sorge bereiten ihm die Preissteigerungen – egal ob bei Stahl oder Energie. Im Moment gelinge es nicht, die notwendigen Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben.

Fast 100 Millionen für ein größeres Logistikzentrum

In Deutschland erreichte die Würth-Gruppe einen Umsatz von 3,9 Milliarden Euro (plus 12,7 Prozent). An geplanten Großinvestitionen hält Würth fest. Knapp 100 Millionen sollen in die Erweiterung des Lager- und Logistikzentrum am Stammsitz Künzelsau fließen, wo Ende Juni 2022 der Spatenstich erfolgt ist. Im September 2022 steht die Einweihung des neuen Innovationszentrums am Stammsitz an, für das Würth 75 Millionen Euro investiert hat. Friedmann sprach angesichts der Investitionen von einem „positiven Signal nicht nur in die Mitarbeiterschaft, sondern auch für künftige Mitarbeitende“. Nach den Erfahrungen aus der Coronapandemie sei das für viele ein entscheidendes Kriterium.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Mitarbeiter um gut 1300 auf weltweit knapp 84 500 gestiegen, davon arbeiten gut 25 800 in Deutschland. „Wir hätten weitere 1500 zum Halbjahr einstellen wollen“, sagte Friedmann. Etwa die Hälfte davon, also rund 750, in Deutschland. Bislang sind die Stellen noch unbesetzt.