Jeder Mensch ist einzigartig, lautet das Motto des bhz – und jedes Männle auch. In der bhz-Werkstatt in Feuerbach entstehen besondere Figuren aus Holzabfällen.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Wo stammen eigentlich die Weihnachtsmänner her? Für eine bestimmte Sorte Weihnachtsmänner ist diese Frage leicht zu beantworten. Diejenigen, die aus Obstkisten gemacht sind, die erst verleimt, dann in Form gebracht, gefeilt und schließlich bemalt und lackiert werden, kommen aus der Dornbirnstraße 9 in Feuerbach. Dort unterhält das Stuttgarter bhz (ehemals „Behindertenzentrum“) seit August eine neue Außenstelle mit Kreativ-Werkstatt.

 

Die zehn Menschen, die hier ihrer Arbeit nachgehen, arbeiten unter hohen Decken, angeleitet von Betreuern mit weitem Horizont. Dazu zählt Gruppenleiter Jürgen Krist, 43, gelernter Mechaniker, Arbeitserzieher. Er ist der Schöpfer der Weihnachtsmännle und der Engel und der Fußballer und der Hochzeitspaare. Sogar von Adam und Eva.

Damit hat bekanntlich alles angefangen – auch in der Werkstatt D 9. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens des bhz vor vier Jahren kam Krist auf die Idee, den Ecken alter Obstkisten Leben einzuhauchen. Man muss sie nur heraustrennen und wie oben beschrieben verarbeiten. Inzwischen ist mit vereinten Kräften der Kreativ-Werkstatt eine ganze Männle- und Fraule-Kolonie entstanden. Jedes Jahr kommen bis zu 3000 neue dazu. Alles Unikate. Krist nennt sie „die bunten Menschen“.

Ein Ort voller Ideen

Nadim Sabet sorgt dafür, dass sie besonders bunt werden. Der 30-Jährige ist für filigrane Spezialaufträge zuständig: etwa wenn’s darum geht, ein Ronaldo- oder ein Messi-Männle zu malen. „Ich male nach Vorlagen“, sagt er. „Das macht mir Spaß.“ Seine Kollegin Sabine Franke arbeitet gerade an der Weihnachtsmännle-Kollektion. Sie strahlt: „Ich mache Weihnachtsgesichter.“ Mit Acrylfarben bemalt die junge Frau Rohlinge und legt sie zum Trocknen auf eine Werkbank. Vorausgegangen waren der Weihnachtsmänner-Reihe eine Engel- und eine Fußballer-Edition, passend zur Fußballeuropameisterschaft im vergangenen Jahr. Dazu gab es sogar ein eigenes Panini-Sammelalbum für „bunte Menschen“.

Die Werkstatt in der Dornbirnstraße ist ein Ort voller Farbe und guter Ideen. An den Wänden des ehemaligen Fabrikgebäudes steht das Gedicht „Lass Dich fallen“ von Joseph Beuys. Der berühmte Beuys-Satz: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ hängt als Girlande über dem Flur. Dazu passt das bhz-Motto: „Jeder Mensch ist einzigartig.“ Das gibt einen Hinweis auf den Geist, der in der Dornbirnstraße gepflegt wird. Nicht nur in der Kreativ-Werkstatt, sondern auch in der Gruppe, die sich um Landschaftspflege kümmert und einer weiteren Gruppe, die Industrieaufträge bearbeitet. 40 Menschen mit Behinderungen finden hier Arbeit und Bestätigung. Organisatorisch gehören sie zum Werkhaus, einer bhz-Tochter im Stuttgarter Norden mit 200 Mitarbeitern. Im bhz im Fasanenhof, dem Hauptstandort, sind weitere 200 Menschen mit Behinderung beschäftigt.

Ein Männle mit rotem Brustring

Die Kreativ-Werkstatt, wo neben „bunten Menschen“ auch Hocker und Bilderrahmen aus Holzabfällen entstehen, erfüllt für Gruppenleiter Krist auch einen ideellen Zweck: Er nennt sie die „emotionale Eingangstür“ zum Thema Handicap und Behinderung. Besuchern steht diese Welt offen – noch finden allerdings wenige hierher. Eine Ausnahme ist der Inhaber eines Modegeschäfts in Ludwigsburg mit Ableger in Konstanz. Er deckt sich jährlich mit rund 500 Männle ein, um die kleinen Objekte, in seinen Läden zu verkaufen. Auch in Stuttgarter Geschäften tauchen sie vereinzelt auf. Manche halten sie schon für „Kult“. Das Behindertenzentrum profitiert davon. Nicht so sehr finanziell, doch die „bunten Menschen“ aus Holz erhöhen die Aufmerksamkeit für die echten bunten Menschen, die in den bhz-Einrichtungen tätig sind.

Jürgen Krist, unterstützt vom Technischen Leiter des Werkhauses, Michael Langer, freut sich über diese Entwicklung. Er hat bereits neue Ideen – und einen Wunsch. Wenn die Weihnachtsmännle-Produktion abgeschlossen ist, würde er gerne mit dem VfB Stuttgart ins Gespräch kommen. Vor seinem geistigen Auge stellt sich VfB-Fan Krist ein Männle mit rotem Brustring in der Stadionzeitung vor. „Es wäre toll, wenn wir den VfB dafür gewinnen könnten. “, sagt der VfB-Fan. Nadim, der Filigrantechniker, wäre sofort mit von der Partie.