Die meisten Einrichtungen in der Landeshauptstadt verzeichneten 2015 ein solides Besucherplus – allen voran die Staatsgalerie. Zu dem Erfolg haben auch die Gäste des Evangelischen Kirchentage ihr Scherflein beigetragen.

Stuttgart - Es ist ein heftiges Wechselbad der Gefühle, durch das Stuttgarts Museen gehen. Nach vielen kalten Duschen im Jahr 2014, gab es 2015 einen warmen Regen: Die meisten Häuser konnten gute Zahlen vorweisen, allen voran die Kunstmuseen. Die Staatsgalerie hat dabei alles in den Schatten gestellt. Mit 375 700 Besuchern brachte sie es auf ein Plus von fast 70 Prozent – und das obwohl – wie Direktorin Christiane Lange immer wieder betont – , das Sammeln und Erforschen als Kernaufgabe mindestens genauso wichtig sei wie eine publikumsträchtige Sonderschau mit einem großen Namen. Doch als das Museum jetzt sein „Spitzenergebnis“ präsentierte, schwang schon etwa Stolz mit.

 

Langer stummer Dank dürfte an Oskar Schlemmer (1888-1943) gerichtet sein. Nach langem Gezerre unter dessen Erben konnte das Museum die Werke des Bauhaus-Künstlers unter dem Motto „Visionen einer neuen Welt“ endlich wieder groß in Szene setzen. Die Schau brachte der Einrichtung allein 163 000 Besucher ein, davon gut 128 000 im vergangenen Jahr. Auch die Expressionisten trugen mit ihrer „Poesie der Farbe“ zum Erfolg bei. Diese Werke stammen komplett aus den Schatzkammern des Hauses. Christiane Lange betonte, wie wichtig es sei, „Themen zu finden, die mit der eigenen Sammlung in Verbindung stehen“.

Kunstmuseen punkten mit zweistelligem Besucherplus

Auch das Kunstmuseum stand zu seinem zehnjährigen Bestehen glänzend da – 161 250 Besucher im Jahr 2015, das ist ein Plus von fast 40 Prozent. Es sind die besten Zahlen seit den Eröffnungsjahren 2005 und 2006. Dieser Erfolg zeigt, wie nah Freud und Leid beieinander liegen können: Im Vorjahr hatte das Team im Glaskubus noch ein Minus von 18 Prozent verdauen müssen. Zugpferd war 2015 unter anderem die Ausstellung „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920“. In einer Mitteilung heißt es dazu: „Die große Sonderausstellung ist seit der Eröffnung ein Publikumsmagnet.“

Die Besucherzahlen für das Jahr 2015

Der Umkehrtrend war allerdings nicht immer nur ein Segen. Davon weiß das Lindenmuseum ein Lied zu singen. Im Jahr 2014 noch als einer der großen Gewinner gefeiert, hagelte es diesmal das größte prozentuale Minus. Um fast 30 Prozent gingen die Zahlen runter – vielleicht unvermeidlich nach der Rekordausstellung zu den Inka in den beiden Jahren davor. 82 690 Besucher kamen 2015. Ein Minus machten auch das Landesmuseum, das Stadtmuseum Bad Cannstatt und das Haus des Waldes. Doch letzteres schien darüber gar nicht so traurig: „Diesen Rückgang sehen wir gelassen, da wir ohnehin mehr auf Qualität setzen wollen als auf Masse“, sagte dessen Büroleiter Kenan Dietz. Wenn zu viele Menschen auf die Waldau kämen, ginge der Reiz des Waldes auch ein Stück weit verloren, meint Dietz.

Mehrere Einrichtungen sehen Kirchentag als Segen

Der Weißenhof dagegen konnte nach einem Rekordplus von 12,3 Prozent im Jahr 2014 jetzt noch einmal draufsatteln. Ähnlich die beiden Automuseen Mercedes mit 772 750 und Porsche mit 445 730 Besuchern: Sie liegen mit großem Abstand weiter auf Platz 1 und 2 der Publikumsgunst und lockten erneut viele Gäste aus dem Ausland an. Weitere Einrichtungen freuten sich über steigende Zahlen im Jahr 2015. Ins Turmforum kamen 245 000 Besucher – Platz vier in Stuttgart – und informierten sich über das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm. Das Naturkundemuseum punktete mit der Eiszeit, das Haus der Geschichte mit heißen Höschen. Das Schweinemuseum, der Weinbau und die Straßenbahnen fanden ebenfalls reichlich Betrachter, genau wie die meisten kleineren Häuser.

Mehrere Einrichtungen machten über ihre Programme hinaus noch einen weiteren Grund für den Besuchersegen aus: den Kirchentag. „Neben den erfolgreichen Sonderausstellungen trug auch der Evangelische Kirchentag in Stuttgart seinen Teil zu diesem schönen Ergebnis bei“, sagt Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte. Im Juni 2015 habe die Besucherzahl um ein Viertel höher gelegen als im gleichen Monat des Vorjahres. Auch das Weißenhofmuseum, die Straßenbahnwelt und das Theodor-Heuss-Haus sehen positive Effekte Dank des Glaubensfests.

Einige Häuser blicken besorgt auf 2016

Das kommende Jahr verspricht spannend zu werden. Viele Häuser warten wieder mit originellen Angeboten auf und buhlen so um die Zuschauergunst. Die Mitarbeiter des Mercedesmuseums freuen sich auf den 10. Geburtstag des Hauses, Porsche erwartet den dreimillionsten Besucher, die Staatsgalerie setzt auf die Schau zu Francis Bacon sowie das Naturkundemuseum auf die 225-Jahr-Feier und die Große Landesausstellung Naturdetektive.

Doch einige Häuser schauen auch mit gemischten Gefühlen nach vorn - und zwar nicht nur, weil die Zahlen in diesem Jahr so gut waren. Im Haus der Geschichte muss die Brandschutzanlage saniert werden, daher gebe von April bis Dezember keine Sonderausstellung und vermutlich etwas weniger Besucher, fürchtet Schnabel.

Düster sieht es ihrer eigenen Einschätzung zufolge für die Straßenbahnwelt aus. Wegen der Bauarbeiten am Charlottenplatz und am Rosenstein im Zuge von S 21 können sie mit ihren historischen Bahnen vom Mai an nicht mehr durch die Stadt, sondern nur noch um die Halle in Bad Cannstatt fahren, sagte Museumssprecherin Susan Pfitzenmaier. Auch der Busverkehr sei eingeschränkt. „In der Öffentlichkeit werden wir ziemlich verschwinden. Das wird eine harte Zeit“, sagt Susan Pfitzenmaier.

Doch wer weiß: Das mögliche Minus im Jahr 2016 könnte das große Plus im nächsten werden.